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Dienstag, 7. November 2023

Die Fantasy-Serie „Dragon“

Anfang der 1970er Jahre plante der Erich Pabel Verlag eine Heftromanserie herauszubringen, die erste Fantasy-Heftserie im deutschsprachigen Raum.

Nachdem mehrere Konzepte eingereicht wurden (auch eines von Hubert Strassl, der sein Serienkonzept für „MAGIRA“ dem Verlag schickte), machte schließlich Günther M. Schelwokat mit „DRAGON-SÖHNE VON ATLANTIS“ das Rennen.

„Als der Erich Pabel Verlag eine Fantasy-Heftserie plante, reichte ich mein Serienkonzept für MAGIRA ein. Das Rennen machte jedoch damals das Konzept DRAGON-SÖHNE VON ATLANTIS von Günther M. Schelwokat, an der ich mitarbeitete und bei der ich auch die Leserkontaktseite betreuen konnte, was viele Fans zu FOLLOW und später zum EDFC e.V. (Erster Deutscher Fantasy Club e.V.) brachte.“ (1)

Als 1973 mit „GRIFF NACH ATLANTIS“ von WILLIAM VOLTZ der erste Band der ersten deutschen Fantasy-Serie“ erschien, hatte das Ganze aber schon zu Beginn einen Haken.

Der Roman von William Voltz war ein reiner SF-Roman und wies nur durch das Auftauchen von sprechenden Fabelwesen wie Drachen, Einhörnern oder Trollen einige wenige Fantasy-Elemente auf. Auch die Ausgangssituation der Serie war von Anfang an viel zu SF-lastig angelegt, was sich ebenfalls als Manko erwies.

„Atlantis, vormals ein interstellares Handelszentrum und ein bedeutender Treffpunkt vieler verschiedenartiger Sternenvölker der galaktischen Zivilisation, ist durch einen Überraschungsangriff kosmischer Bösewichter ausgelöscht worden.

Für die Sternenvölker, die die galaktische Zivilisation bilden, ist die Erde damit abgeschrieben - sie wird im Laufe der nächsten Jahrtausende nicht mehr angeflogen, denn sie gilt als völlig zerstört.

Der Weltuntergang ist jedoch nicht allumfassend. Viele Erdbewohner und auch etliche auf der Erde weilende Besucher von den Sternen überleben die Katastrophe, zerstreuen sich in alle Himmelsrichtungen und über alle restlichen Kontinente und pflanzen sich fort.

Die Nachkommen der Überlebenden, Menschen und Fremdwesen gleichermaßen, fallen, da sie mit den verfügbaren Mitteln keine technische Zivilisation mehr aufbauen können, schnell in die Primitivität zurück und vergessen ihr stolzes Erbe.

Auf dieser in die Primitivität zurückgefallenen Welt sind selbstverständlich jene Menschen, die noch geistige oder technische Fragmente des alten Erbes bewahrt haben und diese zu verwenden wissen, im Vorteil. Sie werden als Priester, Magier oder Weise verehrt und üben teils einen guten, teils einen verderblichen Einfluß auf ihre Mitmenschen aus.“ (2)

Aber auch die beiden nachfolgenden Romane „MEISTER DER DIMENSIONEN““ sowie “UNTERGANG VON ATLANTIS“, beide geschrieben von WILLIAM VOLTZ, waren ebenfalls SF-Romane, in denen der Leser unter anderem als Hintergrundinformation erfährt, dass die Rasse der Drachen mit Raumschiffen durch die Galaxis fliegt und die so genannten Drachenwelten besiedelt haben.

Oder dass auch die Trolle Raumfahrer geworden sind. Sie haben zwar selbst keine eigenen Raumschiffe, fliegen aber stattdessen zusammen mit den Drachen durch die Weiten des Alls.

Erst mit „DER SCHREIN DES SCHLAFENDEN GOTTES“, dem vierten Band der Serie, geschrieben von HANS KNEIFEL, erschien der erste Fantasy-Roman der Serie „DRAGON“.“.

Leider wurden aber auch im weiteren Verlauf der Serie immer wieder SF-Elemente verwendet, was sich leider als großer Hemmschuh für „DRAGON“ erwies, die doch eigentlich als Fantasy-Serie gedacht war und als „erste deutsche Fantasy-Serie“ auch auf den Titelbildern der Serie so ausgewiesen war.

Wahrscheinlich war aber das Einbringen von SF-Elementen aber auch dazu gedacht, „PERRY RHODAN“- und „ATLAN“-Leser zur Serie zu locken. Doch das Ganze, insbesondere die Vermischung von Fantasy und Science Fiction, ging leider nach hinten los.

Und so wurde die Serie 1975 aus „kalkulatorischen Gründen“ mit Band 55 überraschend eingestellt. Und diese Überraschung war nicht nur den Lesern, sondern auch den Autoren anzusehen, die anscheinend von der Einstellung der Serie „DRAGON“ ebenfalls völlig überrumpelt wurden.

„DRAGON wurde abrupt mit Band 55 eingestellt. Ich erinnere mich, dass ich gerade die Exposés für Band 55 und 56 erhalten und mit Band 55 begonnen hatte, als ich es erfuhr.

Ich habe dann das Exposé weitgehend außer Acht gelassen und versucht, wenigstens einige lose Enden zu verknüpfen und die Serie ein wenig abzuschließen.“ (3)

Und so kommen einem die Worte, die man auf der letzten Seite von Band 55 liest, doch etwas seltsam vor.

„Liebe Dragon-Freunde! Heute sprechen wir im Namen der Redaktion und aller Autoren zu Ihnen und müssen Ihnen leider mitteilen, daß der Verlag sich aus kalkulatorischen Gründen veranlaßt sah, die DRAGON-Serie mit dem vorliegenden Band einzustellen.

Obwohl eine beträchtliche positive Resonanz vorlag, wie u.a. auch die kürzlich vorgenommene Leserumfrage zeigt, erwies sich letztlich der Kreis der Fantasy-Fans, den aufzubauen und zu erweitern sich besonders Hugh Walker bemühte, zum gegenwärtigen Zeitpunkt als noch zu klein, um dem Verlag die Weiterführung der Serie zu erlauben.“ (4)

Denn wenn ein Verlag eine Fantasy-Serie verspricht, deren ersten drei Bände aber reine SF-Romane sind,  und auch sonst SF-Elemente mitunter zeitweilig dominieren und während des Serienverlaufs immer wieder auftauchen, sollte man sich als Verlag  nicht wundern, wenn damit keine Fantasy-Leser zur Serie gezogen werden können.

Zumal die Fantasy im deutschsprachigen Raum zu Beginn der 1970er Jahre sowieso gerade erst in ihren Anfängen lag und noch ziemlich vor sich hindümpelte.

© by Ingo Löchel

  • (1) Hubert Strassl
  • (2) Günter M. Schelwokat
  • (3) Hubert Strassl
  • (4) Dragon # 55

 

Dragon-Söhne von Atlantis (1973-1975)

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