Ingo Löchel: Walter, kannst Du den Lesern des Online-Magazins kurz etwas zu Deiner Person erzählen?
Walter Fröhlich: Sehr gerne. Ich bin ein Kind der 70er. Ende der 60er geboren und wurde in den 80ern sozialisiert. Meine Begeisterung für Comics und vor allem für Science Fiction war immer vorhanden und hat mich zum Zeichnen gebracht.
Dass Comiczeichnen mehr als nur ein netter Zeitvertreib sein kann, wurde mir allerdings erst in meinen Zwanzigern bewusst und so habe ich mich erst im Alter von 27 Jahren als Illustrator selbständig gemacht.
Mitte der 90er war das Internet noch rechtsfreier Raum und so flutete ich ungeniert Verlage weltweit mit meinen Arbeiten. Den Ausdruck SPAM gab es damals zum Glück noch nicht.
Kurz darauf war ich freier Mitarbeiter der IPP (Ideenschmiede Paul & Paul, Kerpen) und zeichnete für Zeitschriften und Werbekunden. Anfang der 2000er Jahre herrschte eine regelrechte Goldgräberstimmung für Illustratoren. Zumindest habe ich das damals so empfunden.
Ab 2003 war ich 17 Jahre lang Dozent an der Werbedesign Akademie Salzburg und 2007 gründete ich mit Gabriele Szekatsch die Werkstätte Comic, einen eigenen Studiengang an der Kunstschule Wien.
Das Kriminal Journal entstand mit dem Zeichner Robert Maresch. Ein kleines, sehr unregelmäßig erscheinendes Comicheft. Zur Präsentation unserer Hefte haben wir Feste organisiert, Ausstellungen und Vorträge.
Das war Spaß. Ich habe sogar drei Jahre lang für einen regionalen TV-Sender ein monatliches Format zum Thema “Befindlichkeit der österreichischen Comic-Szene” produziert und moderiert.
2020 gründete ich mit der Künstlerin Martina König das Atelier “Frau König & Herr Fröhlich” und widme mich seitdem Großteils der Malerei.
Als dann 2023 die Verlage und Agenturen begannen, ihre Illustratoren massenweise durch KI zu ersetzen, beschloss ich nach der ersten Schock-Phase, nicht klein beizugeben, sondern zu reagieren.
Wenn Verlage ihre Texter und
Illustratoren durch KI ersetzen, können Texter und Illustratoren auch die
Verlage durch KI ersetzen, dachte ich mir. Schließlich liegt das kreative
Potenzial auf unserer Seite. Das war auch die Initialzündung von MAJOR DIMES.
Ingo Löchel: Wie kamst Du eigentlich in Berührung mit den südamerikanischen Pulps?
Walter Fröhlich: Meinen erster Kontakt mit dieser fremden Popkultur hatte ich 2003, als ich in Costa Rica unterwegs war. Ich war völlig überwältigt von dieser exotischen Welt und vor allem auch von der Vielfalt an Comics, Magazinen und Paperbacks an den Zeitungsständern.
Ich habe damals spontan entschlossen Spanisch zu lernen, um die Fülle an exotischem Material lesen zu können, bin aber dann kurz darauf Vater geworden und da blieb eben einiges auf der Strecke.
Allerdings verbringt mein Freund und Mitbegründer vom Kriminal Journal, Robert Maresch, jedes Jahr ein paar Wochen in Mittel- oder Südamerika und berichtet immer von Romanen, Comics und Filmen.
Wir, im deutschsprachigen Raum, sind ja von der US-amerikanischen Literatur derart überflutet, dass kein Platz für anderes bleibt. Nicht in den Regalen und auch nur selten in unseren Köpfen.
Nicht mal aus Italien oder Slowenien, unseren direkten Nachbarn, kann die wirklich vielfältige Fumetto-Kultur hier Fuß fassen, weil alles von Material aus den USA verdrängt wird.
Selbst der japanische Manga- und Anime-Kult musste den Weg über die USA nehmen, um hier Ende der 90er Jahre zu explodieren.
Ich war vor einigen Jahren auf
den Stripdagen Haarlem, wo ich vom Angebot finnischer, tschechischer und
russischer Comic Publikationen überwältigt war.
Ingo Löchel: Und wie bist Du auf die Idee gekommen, diese im deutschsprachigen Raum zu veröffentlichen?
Walter Fröhlich: Jetzt muss ich wohl die Katze aus dem Sack springen lassen. DIARIO UTÓPICO ist eine Erfindung einer kleinen Gruppe von Autoren sowie Illustratoren, die während des Comic Salons 2024 in Erlangen, abends zufällig im Gastgarten vom Manhattan-Kino an einem Tisch gesessen sind und sich über die traurige Situation der Kreativen in Zeiten der KI und Cancel Culture beklagten.
Auch die Einschränkungen der Verlage war Thema und was für Möglichkeiten sich für die Autoren eröffnen würden, wenn ein Verlag mutig genug wäre, den Autoren uneingeschränkte Freiheit ohne Zensur zu ermöglichen.
Es wundert mich eigentlich immer noch, dass daraus ein reales Projekt geworden ist, aber scheinbar macht es allen Beteiligten genug Spaß, um dranzubleiben.
Die Autoren kommen aus unterschiedlichsten Bereichen. Natürlich hauptsächlich aus dem Comic-Umfeld, aber wir haben auch eine Kinderbuchautorin dabei und einen Verfasser wissenschaftlicher Texte, der gelegentlich über weniger trockene Inhalte schreiben möchte.
Die Idee, das ganze Projekt so
aufzuziehen, als würden wir Geschichten aus einem brasilianischen Verlag der
40er bis 70er Jahre veröffentlichen, hat mehrere Gründe und war für die Autoren
ein zusätzlicher Spaßfaktor. Genaueres gibt es übrigens in unserem Magazin
DIARIO UTÓPICO zu lesen, das am 17. Oktober erscheint.
Ingo Löchel: Ich habe Dich also richtig verstanden. DIARIO UTÓPICO ist eine Erfindung von Dir sowie von einigen anderen Autoren und Künstlern, die im Jahr 2024 auf dem Comic Salon Erlangen entstanden ist, was vermutlich auch der Grund war, warum ich über DIARIO UTÓPICO nichts im Internet gefunden habe.
Damit sind also die Namen der Autoren der „MAJOR DIMES“-Bände sowie deren Kurzbiographien, die auf der Seite „Major Dimes“ zu finden sind, nur Erfindungen.
Doch welche realen Autoren verstecken sich denn hinter den erfundenen Autorennamen Bruno Barbados, Alberto Baraccudas, Jean Claude Cantine, Sophia Lore Havannas, Henry Gonzales und Camille Saint Tropez, etc.? Oder soll das ein Geheimnis bleiben?
Walter Fröhlich: Genau, das bleibt geheim. Die Autoren selbst sind natürlich nicht zum Stillschweigen verpflichtet. Jeder kann das handhaben, wie er will, aber wir haben die Abmachung, dass niemand einen anderen aus der Gruppe verpfeift. Das wäre in manchen Fällen wirklich geschäftsschädigend.
In der ersten Ausgabe unseres Magazins DIARIO UTÓPICO gehen wir detailliert darauf ein. Es ist eine Art Mockumentary, welche die Geschichte von DIARIO UTÓPICO und seinen Autoren erzählt, inklusive ihrer Bücher.
Wir haben uns ein Umfeld geschaffen, aus dem wir diese Geschichten in dieser Form erzählen können.
In der Kunst aber besonders in der Romanheft-Szene sind Pseudonyme allgegenwärtig. Das hat auch seine Berechtigung. Viele Autorinnen und Autoren wollen auch einmal aus ihren gewohnten Bahnen ausbrechen, ohne dabei ihre Stammleser zu erschrecken.
Es ist noch nicht so lange her, dass J.K. Rowling den Autor Robert Galbraith, einen “pensionierten Militärpolizisten" erschaffen hat und unter dieser fiktiven Person Bücher schreibt, die fern von Harry Potter sind.
Camille Saint Tropez, die
übrigens für die zweite Ausgabe von DIARIO UTÓPICO ein Interview zu diesem
Thema gegeben hat, ist eine Kinderbuchautorin. Die möchte natürlich vermeiden,
dass unter den Suchergebnissen ihres Namens neben herzallerliebsten
Bilderbüchern HYDE ME erscheint.
Ingo
Löchel: Nichts für ungut, aber sieht man
unter anderem von der ‚interessanten‘ Idee und dem Spaßfaktor einmal ab, den es
durchaus hat, eine fiktive Welt rund um die „MAJOR DIMES“-Reihe zu erfinden
bzw. kreiert zu haben, denkst Du und
Deine Mitstreiter nicht, dass sich einige Leser (auf gut Deutsch) verarscht
fühlen, wenn sie erfahren, dass sowohl die Autoren und deren Biographien als auch
DIARIO UTÓPICO nur Erfindungen
sind?
Walter Fröhlich: Um das zu vermeiden, gehen wir auch schon jetzt damit an die Öffentlichkeit. Wir wollen ja niemanden verärgern. Wir wollen, dass die Leser ihre Freude an unserem Projekt haben.
Wer an dem gesamten Paket interessiert ist, wird sich darauf einlassen und darüber amüsiert sein, dass zum Beispiel die Autorin Marijanka Babić die mutmaßliche Mörderin ihres Herausgebers Miguel Jurado ist und seitdem auf der Flucht ist. Oder dass Isolde Salazar selbst im Bermuda Dreieck verschwunden ist, nachdem sie die Bermuda-Saga geschrieben hat.
Wer nur die einzelnen Geschichten lesen möchte, wird ebenfalls gut unterhalten sein und dem wird es egal sein, aus welchem Verlag das kommt oder welcher Autor das geschrieben hat.
Wenn wir damit jemanden
verärgert haben, dann tut mir das aufrichtig leid. Das war wirklich keine
Absicht.
Ingo Löchel: Sind die Cover zu den einzelnen „Major Dimes“-Bänden sogenannte KI-hergestellte Titelbilder oder stammen die Cover von einem bestimmen Künstler?
Walter Fröhlich: Sämtliche Cover von Major Dimes sind mit Unterstützung von KI entstanden. Leider funktioniert das immer noch nicht auf Knopfdruck, außer, man nimmt, was die KI ausspuckt. Ich muss also noch ordentlich nacharbeiten, damit das Ergebnis meinen Vorstellungen halbwegs entspricht.
Ich bin mittlerweile dazu
übergegangen, die Einzelkomponenten mit KI zu generieren, füge diese dann zu
einem Bild zusammen und bearbeite alles noch einmal. Titel und Typografie sind
dann wieder reines Grafiker-Handwerk. Früher arbeitete ich an so einem Cover
drei bis fünf Tage. Dank KI bin ich in 5 Stunden fertig.
Ingo Löchel: Gab es überhaupt südamerikanische Verlage bzw. südamerikanische Magazine, die Pulps herausbrachten?
Walter Fröhlich: Die Suche nach südamerikanischen Pulps war zu Beginn eine wirklich mühsame Arbeit, weil Google einfach nicht darauf ausgerichtet ist, aber wenn man erst einmal eine brauchbare Quelle gefunden hat, eröffnet sich immer mehr zu dem Thema.
Ich habe mich dann hauptsächlich mit brasilianischen Pulps und Magazinen beschäftigt. Da gibt es wirklich viel zu entdecken. Ich bin tagelang vor dem Bildschirm gesessen und habe eine völlig neue Welt entdeckt.
Wie es scheint, gab es viele Eigenproduktionen, aber auch Lizenzmaterial und natürlich gab es auch viele Raubkopien von US-Material. Bei “Los Cuentos Fantásticos” sind z.B. Geschichten von Ray Bradbury und H.G. Wells erschienen. In Rojinegro der Edition Bell erschienen meines Wissens hauptsächlich Eigenproduktionen.
In Argentinien wiederum gab es
sowohl die Pulps, in denen die üblichen Horror- und Detektivgeschichten erzählt
wurden, als auch die Literaturzeitschrift SUR von der Schriftstellerin,
Feministin und Kulturförderin Victoria Ocampo, die eine Gruppe Literaten um
sich scharrte. Darunter auch Jorge Luis Borges, der ein Grenzgänger zwischen
Hochliteratur und Pulp war.
Konrad Wolfram: Gab es damals eigentlich in Sachen Pulp aus dem südamerikanischen Raum eher nur Stories mit mehr oder weniger starken Science Fiction Einschlag, oder gab es da auch solche mit eher stärkerem Horror Stoßrichtung wie etwa in den US-Pulps mit H. P. Lovecraft usw.?
Und wenn ja, würdest du solche auch in nächster Zeit in der Reihe „Major Dimes“ veröffentlichen wollen?
Walter Fröhlich: Tatsächlich scheint es so, dass Science Fiction Themen eher in der Minderzahl waren. Meiner Recherche nach dominierten Genres wie Romantik und Melodramen den Markt. Romane, die vor allem Frauen ansprachen.
Für männliche Leser gab es dann vor allem Abenteuer- und Western-Hefte. In Mexiko waren Western besonders beliebt, weil sie sich gut mit der dortigen Kultur und dem Bild des Cowboys verbinden ließen.
Dazu kamen dann noch klassische Kriminalgeschichten und Noir-Erzählungen. Ab den 1950ern wurde auch Horror sehr populär, oft mit lokalen Mythen und Legenden wie La Llorona verwoben. Obwohl sie nicht so groß wie in den USA war, gab es auch eine aktive Science-Fiction-Szene, die in ihren Geschichten oft soziale Kritik verpackte.
Ende der 1950er-Jahre gab es die sogenannte „erste Welle“ der brasilianischen Science-Fiction. Die Rolle von einem Verleger namens Gumercindo Rocha Dorea scheint da sehr bedeutend zu sein. Er hat es geschafft, dem Genre eine ganz neue Ernsthaftigkeit zu verleihen, indem er etablierte Schriftsteller für die Science-Fiction gewinnen konnte, was damals wirklich außergewöhnlich war.
Zum Beispiel Diná Silveira de Queirós und Antônio Olinto sowie der aufstrebende Science-Fiction-Schriftsteller Fausto Fernandes da Cunha. Diese Autoren sind dann später als die „GRD-Generation“ (Initialen von Gumercindo Rocha Dorea) bekannt geworden.
1964 kam die Militärdiktatur in
Brasilien und die literarische Freiheit wurde massiv eingeschränkt. Autoren
nutzten aber die Science-Fiction als Möglichkeit, ihre politische Kritik am
repressiven Regime versteckt auszudrücken. Durch die Verpackung von
Sozialkritik in dystopische oder futuristische Szenarien war so Kritik möglich,
die ihnen andernfalls möglicherweise den Kopf gekostet hätte.
Konrad Wolfram: Wie groß war im
südamerikanischen Raum damals überhaupt der Einfluss von Pulp Magazinen
insgesamt und von wann bis wann könnte man hier eine gewisse Hochphase dieser
Literaturform der Phantastik ausmachen?
Walter Fröhlich: Ich habe den Eindruck, dass der Einfluss von US-Pulps und Comics schon sehr groß war. Lizenzen vieler US-Pulps und Comics wurden von namhaften Verlagen wie O CRUZEIRO oder VECCHI gekauft und in portugiesischer Sprache veröffentlicht.
Aber angeblich gab es auch jede Menge illegaler Reproduktionen, die ohne Lizenz ins spanische bzw portugiesische übersetzt wurden. Vor Internet funktionierte das noch ganz gut bei kleinen Publikationen.
Die meisten Verleger in meinem Alter können sich auch in Deutschland noch an solche Methoden erinnern. Ich glaube, heute geht so etwas nicht mehr durch. Abmahnungen sind ein recht profitables Geschäftsmodell.
Noch vor 15 Jahren bekam selbst
ich immer wieder Flyer oder Plakate mit Motiven von mir zu sehen, die ohne mein
Wissen produziert worden waren. Ich habe es sportlich genommen und als eine Art
Anerkennung gesehen. Andererseits hätten sie mich auch fragen und meinen Namen
auf ihre Flyer schreiben können.
Konrad Wolfram: Wo liegen für dich die wohl größten Unterschiede zwischen den Pulp-Veröffentlichungen der Autorinnen und Autoren aus dem südamerikanischen Raum und zu den auch hier in Deutschland eher bekannten US-Pulp-Veröffentlichungen?
Walter Fröhlich: Die größten Unterschiede vermute ich in der politischen Ausrichtung. In Amerika schlug in den 50ern McCarthy zu und jeder Autor, dessen Geschichten einen human-sozialistischen Touch hatte, musste Angst haben, als Kommunist zu gelten. Siehe Hammett. In den 60ern kam dann auch noch die Jugendschutz-Keule hinzu und seitdem ist das meiste eher weichgespült.
Viele Südamerikanische Länder waren hingegen dem Kommunismus nicht immer ganz abgeneigt und so konzentrierten sich die mittel- und südamerikanischen Utopien eher auf die Soziale Entwicklung.
Die Geschichten nutzten zwar die populären Erzählformen des Abenteuers oder des Kriminalromans, verhandelten aber häufig spezifische politische Missstände, soziale Ungleichheiten oder integrierten indigene Mythen auf eine Weise, die oft das Leben der Leser spiegelte.
Zudem ist charakteristisch,
dass die Grenze zur "Hochliteratur" viel durchlässiger war. Während
in den USA ein Pulp-Autor selten im literarischen Establishment anerkannt
wurde, genießen lateinamerikanische Autoren wie Borges oder Bioy Casares trotz
ihrer Verflechtung mit Science Fiction oder Detektivgeschichten die Anerkennung
als Literaten. US-Autoren wie Raymond Chandler oder Robert E. Howard warten auf
diese Anerkennung bis heute vergebens. Zu Unrecht, wie ich meine.
Konrad Wolfram: Wie groß, kann man grob sagen, war der Stellenwert von Stories mit stark feministischem Einschlag bei z.B. den Autorinnen der südamerikanischen Pulps?
Walter Fröhlich: Die Autorin Camille Saint Tropez (etwa mit HYDE ME) nutzte im Bereich der Phantastik ja schon einen, sagen wir mal, recht drastischen Blickwinkel auf das Thema der Unterdrückung der Frau.
Tatsächlich ist dieser radikale Feminismus nicht frei erfunden. Die brasilianische Autorin Adalzira Bittencourt, beschrieb in ihrem 1929 erschienenen Roman „Sua Excelência: a Presidente da República no Ano 2500 (Seine Exzellenz der Präsident der Republik im Jahre 2500)“ eine utopische Zukunft, in der eine Frau die Präsidentschaft über das vereinigte Südamerika übernimmt und das Land in ein wahres Paradies verwandelt: Der Amazonas ist besiedelt, Analphabetismus ist ausgerottet, und die Arbeiter singen auf den Feldern Opernarien.
Doch dann kommt der Wendepunkt. Bittencourt zeigt, dass dieses Paradies das Ergebnis eines strengen Programms für Eugenik und soziale Hygiene ist, das von der weiblichen Regierung durchgesetzt wird.
Die Ironie wird noch größer, als die Präsidentin sich in einen Mann verliebt, den sie nur aus Liebesbriefen kennt. Als sie ihn endlich zu sich bringen lässt, entpuppt er sich als kleinwüchsig und hat einen Buckel. Ihre Reaktion ist brutal: Sie ordnet sofort seine Hinrichtung an.
Der Feminismus und das Matriarchat wurden in der südamerikanischen Literatur also nicht immer nur idealisiert.
Konrad Wolfram: Ich oute mich mal als ein Fan der Stories um KENT CANNON des Autors Alberto Baraccudas. Gibt es da noch weitere Stories die noch veröffentlicht werden können/werden, oder gegebenenfalls Material welches diesen ähnelt? Ich denke da als Beispiel an die bereits veröffentlichte Stories zu SAM KOREA von Henry Gonzalez.
Walter Fröhlich: Das freut mich natürlich sehr. KENT CANNON wird auf jeden Fall weitergehen. Von SAM KOREA erscheint in Kürze eine Kurzgeschichte in unserem neuen DIARIO UTÓPICO-Magazin.
Darüber hinaus wird noch mindestens ein Heft erscheinen, in dem er einen Sarkophag quer durch Russland transportieren muss, was allerdings verschiedene Geheimdienste, die Mafia und natürlich die berüchtigten Männer in Schwarz verhindern wollen. Eine ziemlich rasante Geschichte, die zweiter Teil einer Crossover-Trilogie ist.
Sie haben übrigens in Ihrer
Rezension die Parallelen der beiden Geschichten gut erkannt. SAM KOREA handelt
allerdings etwa 50 Jahre vor KENT CANNON. Also vor den Wasserkriegen in Europa
und bevor der YEN Zahlungsmittel in Nordamerika wurde.
Konrad Wolfram: Werden wir auch in Zukunft weitere ‚südamerikanische Pulp-Stories‘ unter dem Label „Major Dimes“ lesen dürfen?
Walter Fröhlich: Definitiv!
Allerdings suche ich noch nach einer Möglichkeit, die Hefte günstiger
produzieren und demnach auch anbieten zu können. 6,50 ist viel zu teuer. Vor
allem, da uns gerade mal 60 Cent davon bleiben.
Ingo Löchel: Sind neben „Major Dimes“ noch weitere Reihen für die Zukunft geplant?
Walter Fröhlich: Das wäre schön, aber leider fehlt mir die Zeit dazu. MAJOR DIMES nimmt mich wirklich vollständig ein. Ab Oktober erscheint dazu auch unser DIARIO UTÓPICO-Magazin, mit Berichten aus der internationalen Heftroman-Szene, Interviews und Short-Stories.
Es gibt aber Pläne für MAJOR
DIMES ILLUSTRATED. Das werden Comics mit Mystery-Geschichten, die sich mit
österreichischen Sagenfiguren auseinandersetzen. Publiziert wird allerdings
erst, wenn die ersten vier Hefte fertig sind und das kann noch etwas dauern.
Walter Fröhlich: Das KRIMINAL JOURNAL ist ein klassischer, billig gemachter Underground-Krimi-Comic, in dem Zeichner aus Wien ihre Comics veröffentlichen. 2026 erscheint die 20-Jahre-Jubiläumsausgabe in Form eines dicken Buches mit vielen Kurzgeschichten von Leuten, die in den letzten 20 Jahren für das Magazin gezeichnet haben. Darunter zum Beispiel auch Ronald Putzker, Thomas Kriebaum, Heinz Wolf oder Andi Paar.
SUPER-PULP ist nicht von mir,
sondern im BLITZ-VERLAG erschienen. Dafür habe ich nur gezeichnet und einer
unserer Kriminal Journal Autoren veröffentlicht unter dem Pseudonym Nick Granit
seine Detektivgeschichten darin.
Ingo Löchel: Sind darin auch Illustrationen und Comics von Dir enthalten?
Walter Fröhlich: Für das
Kriminal Journal zeichne und schreibe ich sehr viel. Auch Szenarien für andere
Zeichner. Für SUPER-PULP habe ich drei Cover gemalt und die Figur Gini Gun
gestaltet. Das ist so eine Art Maskottchen für das Magazin. SUPER-PULP wurde
leider eingestellt.
Ingo Löchel: Wer genau sind die beiden Protagnisten Kommissar Fröhlich und Nick Granit?
Walter Fröhlich: Nick Granit ist das Pseudonym eines pensionierten Berufsdetektiven, der oft recht derbe Kriminalgeschichten schreibt, in denen er selbst oft Hauptfigur ist. Angeblich basieren diese Geschichten auf wahren Begebenheiten, die er allerdings frei interpretiert und dramaturgisch ausschmückt.
Manche dieser Geschichten sind recht pornografisch. Mit Nick Granit erscheinen eher unregelmäßig Comics und Romane, in denen der trockene Alkoholiker nicht nur gegen die Wiener Unterwelt-Syndikate und Frauenhändler kämpft, sondern auch mit den Spätfolgen seiner Sucht.
Trotz der ernsten Themen passiert das meist auf sehr unterhaltsame Weise. Es kommen auch sehr absurde Figuren vor. Der Maskenmann ist ein alter Selbstjustiz-Romantiker und der Schwarze Schlächter eine schlafwandelnde Muslima. Also alles nicht so ernsthaft.
Kommissar Fröhlich hingegen ist eine Comic-Figur von Stephan Hagenow, die es mittlerweile auf stattliche 20 Bände im Gringo Verlag gebracht hat. Das Lustige daran ist ja, dass es immer wieder zu Verwechslungen kam, wenn ich mich auf Messen mit Walter Fröhlich vom Kriminal Journal vorstellte. “Ah, Kommissar Fröhlich”, war oft die Reaktion und dann musste ich klarstellen, dass wir nichts miteinander zu tun haben.
Bis ich dann den Stephan
gefragt habe, ob er Lust hat, eine kurze Geschichte fürs Kriminal Journal zu
zeichnen und ich habe mich wirklich sehr gefreut, als er mir schon kurz darauf
20 Seiten geschickt hat. Stephan Hagenow ist vermutlich der produktivste
Comiczeichner Deutschlands. Es lohnt sich wirklich mal einen Blick auf seine
Werke zu werfen.
Ingo Löchel: Werden weitere Abenteuer mit diesen beiden Ermittlern auch in der nahen Zukunft erschienen?
Walter Fröhlich: Gerade
zeichne ich an einem neuen Comic von Nick Granit und es werden immer wieder
Paperbacks mit Nick Granit und seinem Freund Gruppeninspektor Hazcek
erscheinen.
Ingo Löchel: Walter, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Walter Fröhlich: Es war mir eine Freude!
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