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Samstag, 6. Juli 2024

Ein Interview mit dem Krimi-Autor Volker Dützer

Ingo Löchel: Volker, kannst Du den Lesern des Online-Magazins, die Dich und Deine Romane noch nicht kennen, kurz etwas über Deine Person erzählen?

Volker Dützer: Gerne. Ich erfinde und schreibe Geschichten, seit ich einen Stift halten kann; und das ist schon eine ganze Weile her, schließlich bin ich im März sechzig geworden. (Ich kann’s immer noch nicht glauben, wie schnell Jahre dahinfliegen.)

Es zwickt hier und dort, aber mein Kopf steckt noch immer voll frischer Ideen für spannende Bücher und ungewöhnliche, interessante Figuren. Ich mag hintergründig spannende Thriller und alte Schwarz-weiß-Horrorfilme von Spukhäusern, in denen es knarrt und ächzt.

Wenn ich mal nicht schreibe, spielt die Musik immer noch eine wichtige Rolle in meinem Leben. Vor ein paar Jahren bin ich vom Schlagzeug zur E-Gitarre gewechselt und spiele nach wie vor in einer Band. Ich bin gerne draußen in der Natur und genieße die schöne Landschaft der Westerwälder Seenplatte, in deren Nähe ich lebe.

Ingo Löchel: Am 1. April 2024 erschien mit „DIE FLUT“ Dein erster Kriminalroman mit dem Protagonisten Steve Cole. Worum geht es in diesem Krimi-Abenteuer?

Volker Dützer: Da „DIE FLUT“ als erster Band einer Serie geplant war, musste ich meinen Helden erst einmal einführen und etwas darüber erzählen, warum er nach Alderney versetzt wird. Steve – der eigentlich Thomas McCallum heißt, arbeitet als verdeckter Ermittler der Londoner Metropolitan Police und muss untertauchen, weil der Mafiaboss Viktor Sorokin ihm Rache geschworen hat.

Bei einer Razzia kommt Sorokins Geliebte ums Leben, und der Pate lastet ihren Tod Steve an. Er schwört, jede Frau zu töten, in die Steve sich jemals verlieben wird. Er soll genauso einsam sein wie Sorokin es nun in seiner Gefängniszelle ist. Leider hat sich Steve gerade verliebt.

Seine Freundin Abby Bonham befindet sich in einem Zeugenschutzprogramm, bis sie im Prozess gegen Sorokin als Hauptbelastungszeugin aussagen kann. Thomas McCallum erhält eine neue Identität und leitet fortan als Steve Aiden Cole die kleine Polizeistation der Alderney Police Force.

Die Hintergrundgeschichte um Steve, Abby Bonham und Viktor Sorokin wird sich über mehrere Bände ziehen. Die Trennung von Abby spielt eine Rolle, ebenso sein Verhältnis zu Sorokin. Eigentlich will er die Insel so schnell wie möglich wieder verlassen, doch er fühlt sich bald heimisch, was nicht zuletzt an den Freundschaften liegt, die er mit seinen neuen Kollegen und verschiedenen Inselbewohnern wie Ruby Nolan schließt. Natürlich muss er in jedem Roman einen spannenden Fall lösen.

Im ersten Band „DIE FLUT“ wird Steve mit einer alten Mordserie konfrontiert. Es scheint so, als wäre damals der falsche Mann verhaftet worden, denn es gibt ein neues Opfer, das am Saye Beach von Alderney gefunden wird: Eine junge Frau, die der Täter an Händen und Füßen gefesselt der steigenden Tide überlassen hat. Die sogenannten Flutmorde beginnen wieder…

Ingo Löchel: Der Roman „DIE FLUT“ ist der Auftakt einer neuen Krimi-Reihe. Wie kamst Du auf die Idee dazu?

Volker Dützer: Um die Wahrheit zu sagen: Ich habe mal erwähnt, dass ich lieber das Telefonbuch von Wanne-Eickel abschreiben würde als einen Küstenkrimi zu veröffentlichen - wobei damit ein Roman gemeint ist, der an Nord- oder Ostsee spielt. Wer nun argwöhnt, ich hätte etwas gegen diese wunderschönen Gegenden, der irrt. Ich liebe das Meer, die raue Atmosphäre der Nordsee und die mildere Landschaft der Ostsee und fahre fast jedes Jahr dorthin, um Urlaub zu machen. 

Ich finde nur, dass es inzwischen mehr als genug dieser Krimiserien gibt. Ich steige nicht gerne in einen Zug, in dem schon so viele andere Fahrgäste sitzen, dass es eng wird. Um der geplanten Reihe ein Alleinstellungsmerkmal zu geben, suchte ich also nach einem alternativen Schauplatz.

Mir war klar, dass ich mich damit vom Mainstream abhebe, aber ich möchte mir eine gewisse Eigenständigkeit nicht nehmen lassen. Meine Agentin und der Verlag waren skeptisch, aber ich kann ziemlich stur sein, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe. Zu meiner Freude lässt man mir beim DP-Verlag alle Freiheiten als Autor und vertraut darauf, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe.

Es hat dann ziemlich lange gedauert, bis ich ein Fleckchen Erde gefunden hatte, auf dem noch nicht zwei Dutzend andere Kommissare ermitteln. Eine Zeit lang spielte ich sogar mit dem Gedanken, die fiktive Insel Schelfhorn wieder auszugraben, die ich in meinem Thriller „Die Brut“ erdacht hatte, aber ich weiß, wie sehr Leser reale Schauplätze schätzen. Die Antwort, warum ich schließlich die Kanalinsel Alderney wählte, passt zur nächsten Frage. Auf jeden Fall bestätigen die guten Verkaufszahlen der ersten beiden Bände meine Beharrlichkeit.

Ingo Löchel: Warum eigentlich ein Polizeichef auf einer britischen Insel?

Volker Dützer: Meine Wahl fiel also auf die Kanalinsel Alderney. Ziemlich ungewöhnlich, nicht wahr? Die Insel ist nicht so bekannt wie Jersey oder Guernsey, aber für die Steve Cole-Krimis war sie perfekt. Aber wie kam ich ausgerechnet auf Alderney?

In meiner Schublade liegt noch immer der Entwurf für einen Umweltthriller, den ich seit vielen Jahren schreiben will. Es sollte darin um illegale Atommülltransporte gehen, Fakepositionen von Schiffen und vieles mehr. Bei meinen Recherchen stieß ich damals auf die Tatsache, dass die Verklappung von radioaktivem Abfall im Ärmelkanal erst 1983 verboten wurde.

Westlich von Alderney liegt das Deep Hurd, ein etwa hundert Meter tiefes Seegebiet, in dem bis heute Hunderte verseuchte Fässer liegen, die zum Teil bereits so verrostet sind, dass sie gefährliche radioaktive Strahlung abgeben. Auf Alderney kam es in den Folgejahren zu einer auffällig hohen Zahl von Krebserkrankungen und Leukämiefällen bei Kindern.

Die britischen Behörden wiegeln ab, aber es gibt unabhängige Untersuchungen, die zu alarmierenden Ergebnissen gekommen sind. Ich würde jedenfalls am Braye Beach nicht unbedingt baden gehen, wenn mir meine Gesundheit am Herzen liegt. Stoff also für einen guten Thriller, der aber nie zustande kam, weil andere Projekte vielversprechender waren. (Die Verklappung wird noch Thema eines weiteren Steve-Cole-Krimis werden.)

Als ich mit Ideen und Bruchstücken für eine neue Thrillerserie herumspielte, ging ich meine Notizen durch und stieß wieder auf die alten Entwürfe – und auf Alderney. Ich begann mich noch einmal mit der Insel zu beschäftigen und stellte fest, dass sie für das, was ich mir vorstellte, ideal war: Eine kleine, abgeschlossene Enklave, die ich mit knorrigen und eigenwilligen Figuren bevölkern konnte, eine überschaubare Kleinstadt (Saint Anne ist der einzige Ort auf der Insel), eine raue Landschaft, das Meer und die Nähe zu Frankreich. Alderney gehört zu Großbritannien, liegt aber nur wenige Seemeilen vor der französischen Küste. Zudem gibt es auf der Insel eine Menge interessante Besonderheiten, wie z. B. die vielen Bunker und Festungsanlagen der Deutschen, die die Insel während des 2. Weltkriegs besetzt hatten; also jede Menge düstere und unheimliche Orte, wie ich sie liebe.

Ein weiterer Vorteil war, dass ich mich von deutschen Schauplätzen lösen konnte und gewissermaßen international wurde. (Es gibt im Augenblick Bestrebungen meines Verlags, auf dem französischen Buchmarkt Fuß zu fassen. Wer weiß, vielleicht erscheinen die Romane um Steve Cole bald auch in französischer Sprache?)

Bald stand fest, dass die neue Reihe auf Alderney spielen würde. Dazu musste ich mich allerdings mit der britischen Polizei, der Organisation und den Diensträngen auseinandersetzen, und den Eigenheiten der Verwaltung von Alderney. Die Bewohner der Insel wählen ein eigenes Parlament. In meinen Romanen spielt John Baxter die Rolle des Bösewichts und Gegenparts, ein intriganter Machtmensch, der unbedingt Präsident der Alderney States werden will und durch den neuen Polizeichef Steve Cole seine Wahl gefährdet sieht. (Natürlich sind alle Charaktere rein fiktiv, Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.)

Plötzlich hatte ich mehr Ideen, als ich verarbeiten konnte. Ich begann, Alderney zu lieben. Dank Google Maps kenne ich mich inzwischen auf der Insel so gut aus wie in meiner Heimat, dem Westerwald. Ich hoffe, bald die Gelegenheit zu bekommen, die Insel mal zu besuchen.

Ingo Löchel: Wer genau ist dieser Steve Cole?

Volker Dützer: Steve Cole heißt eigentlich Thomas McCallum und stammt aus den Arbeitervierteln von Birmingham. Er ist durch eine harte Schule des Lebens gegangen, hat sich zäh hochgearbeitet und es bis nach London geschafft, wo er zunächst in einer Mordkommission tätig ist, später als verdeckter Ermittler in einer Sonderheit des Specialist Operations Directorate, einer Abteilung der Metropolitan Police zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Steve ist ein Einzelkämpfer, arbeitet am liebsten alleine und treibt sich meist auf den Straßen und den Hinterhöfen der City of London herum.

Er neigt zu impulsivem Verhalten und ungewöhnlichen Ermittlungsansätzen, die nicht immer gesetzeskonform sind; und er geht zu hohe Risiken ein. Es gibt einen Grund, warum er immer wieder Wetten mit dem Schicksal abschließt und es herausfordert, den ich hier natürlich nicht verrate. Nach außen zeigt er oft stoische Gelassenheit, aber unter der Oberfläche brodelt es. Steve sucht ein Ventil, um mit dem klarzukommen, was er in der Vergangenheit durchgemacht hat. Teile seiner Lebensgeschichte werden nach und nach in den einzelnen Bänden enthüllt.

Er schwimmt er im Meer zu weit hinaus, fährt zu schnell Auto und übertritt Gesetze. Er springt mit Verdächtigen von Dächern und rast auf Brückenpfeiler zu, um sie im letzten Moment zu umfahren. Er braucht den Kick und das Gefühl, lebendig zu sein, wenn er die Situation gemeistert hat.

All das lässt er hinter sich, als er Abby Bonham kennenlernt – eine Frau, die im Red Door kellnert, der Bar des Unterweltbosses Viktor Sorokin. Abby gibt Steve den entscheidenden Tipp, mit dem er den Paten hinter Schloss und Riegel bringen kann. Die Liebe zu Abby verändert Steve radikal. Er will aussteigen und beschließt den irrwitzigen Plan, Sorokin um eine Million Pfund zu erleichtern, um mit Abby ein neues Leben beginnen zu können.

Doch die Razzia im Red Door endet in einer Katastrophe. Sorokins Geliebte kommt ums Leben, der Russe macht Steve für ihre Tod verantwortlich und schwört bittere Rache. Steve wird bei der Aktion schwer verletzt und trägt Narben davon, die ihm sein Leben lang Grenzen aufzeigen werden, die er nicht akzeptieren kann. Seine letzte Chance ist Alderney, ein Exil, das ihn in den Folgebänden Stück für Stück verändern wird.

Ingo Löchel: Im Roman „DER STURM“ (erschienen am 8. Juni 2024) gehen die Abenteuer von Steve Cole, dem neuen Polizeichef von Alderney, weiter. Worum geht es darin?

Volker Dützer: Der vom Dienst suspendierte Polizist Louie Harris verschwindet spurlos, doch niemand auf Alderney weint ihm eine Träne nach. So gut wie jeder auf der Insel hatte einen Grund, ihn zu hassen. Ist Harris wirklich in einer Sturmnacht ertrunken, weil er alle Warnungen in den Wind schlug?

Chief Inspector Steve Cole stößt bei seinen Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens und muss tief in die Abgründe Alderneys eintauchen, als ihn ein schwerer Schicksalsschlag aus der Bahn zu werfen droht … So lautet der Klappentext.

Es geht um ein ungleiches Geschwisterpaar mit Schulden, einen Lottoschein ohne Besitzer und einen herrenlosen Hund, der Steve gewissermaßen adoptiert und ihm in den Folgebänden nicht mehr von der Seite weichen wird. Und natürlich wird sich Steves Verhältnis zu seinen neuen Kollegen weiterentwickeln, ebenso die Hintergrundgeschichte von Steve, Abby und Sorokin.

Ingo Löchel: Bauen die Romane aufeinander auf oder kann man die „STEVE COLE“-Bücher auch unabhängig voneinander lesen?

Volker Dützer: Ich würde empfehlen, die Bücher der Reihenfolge nach zu lesen, um die Hintergrundgeschichte und die Entwicklung von Steve besser verstehen zu können.

Ingo Löchel: Der dritte Band der „STEVE COLE“- Reihe befindet sich bereits im Lektorat. Kannst Du den Lesern des Online-Magazins schon den Titel und etwas zum Inhalt des Kriminalromans verraten?

Volker Dützer: Es gibt bisher nur einen Arbeitstitel. Den endgültigen Titel werde ich in Zusammenarbeit mit dem DP-Verlag festlegen.

Zum Inhalt: Ich habe mit der eisernen Regel gebrochen, dass man als Autor niemals über einen Schriftsteller schreiben soll. Der Bestsellerautor Daniel Jacobs erscheint eines Morgens im Polizeirevier von Alderney und gesteht, seine Frau ermordet zu haben. Doch als Steve Cole am Tatort eintrifft, gibt es weder eine Leiche noch die Spur eines Verbrechens.

Der Roman wird zur Hälfte aus der Sicht von Jacobs erzählt, der unter einer Schreibblockade leidet und zunehmend das Gefühl hat, den Verstand zu verlieren. Hinter das Geheimnis der beängstigenden Vorfälle, die in seinem Haus passieren, kommt er fast zu spät. Ein zweites Verbrechen bringt das Polizeiteam von Alderney an seine Grenzen: Vor der Küste der Insel wird eine Segeljacht aufgebracht, an deren Steuer ein Toter steht…

Ingo Löchel: Wann wird der Roman erscheinen?

Volker Dützer: Am 19. September.

Ingo Löchel: An dem vierten „STEVE COLE“-Roman schreibst Du derzeit. Steht der Titel schon fest? Und worum geht es in dem vierten „STEVE COLE“-Abenteuer?

Volker Dützer: Auch hier gibt es erst einmal nur einen Arbeitstitel. In diesem Band wird Steve mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Es geht um einen Serienkiller, der seinen eigenen Tod zu überwunden haben scheint, und der Steve zu einem tödlichen Spiel herausfordert. Charaktere, die in Band 1 auftraten wie der polternde Psychiater Robert Hill und Steves früherer Vorgesetzter Matt Frazer, werden eine größere Rolle spielen.

Ingo Löchel: Auf wie viele Bände wurde die „STEVE COLE“-Reihe von Dir konzipiert?

Volker Dützer: Keine Ahnung. So lange ich gerne nach Alderney zurückkehre und die Leser mehr über Steve Cole erfahren möchten, wird es weitergehen. Wenn da nicht so viele andere Bücher wären, die noch geschrieben werden wollen.

Ingo Löchel: Arbeitest Du neben den „STEVE COLE“-Romanen noch an weiteren Buchprojekten?

Volker Dützer: Es gibt Ideen zu einer Fortsetzung von „Morgen bist du tot“. In dem Roman ging es ja um Stalking und die Möglichkeiten, mit künstlicher Intelligenz die Zukunft vorhersagen zu können. In den vergangenen Jahren hat sich auf dem Forschungsgebiet der KI so viel getan, dass mir mein Roman inzwischen reichlich antiquiert und überholt vorkommt; viel schneller als ich geglaubt hätte.

Eigentlich Anlass für einen zweiten Teil, wenn da nicht Steve Cole und seine Mannschaft warten würden. Und dann ist da ja auch noch die Reihe um Funke & Stein, die im Westerwald ermitteln.

Die beiden ersten Bände erscheinen in diesem Jahr neu. Teil 1 „DER SCHACHT“ ist unter dem neuen Titel „STIRB, MEIN MÄDCHEN“ bereits auf dem Markt, Teil 2 „SCHLAFE EIN, MEIN MÄDCHEN“ kommt im Herbst neu heraus. Auch Ben Funke & Helen Stein warten darauf, dass ich zu ihnen zurückkehre und einen dritten Teil schreibe.

Ingo Löchel: Volker, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Volker Dützer: Gerne. Ich grüße alle meine Leser ganz herzlich.

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