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Samstag, 4. Mai 2024

Mit leeren Augen

Mit leeren Augen

Comic-Album

von Diego Agrimbau und Juan Manuel Tumburus

Wir befinden uns irgendwo im Osten zur Zeit des Ersten Weltkrieg im Jahr 1917. 

Die Waisenkinder Ofelia und ihr kleiner Bruder Otto finden im nahen Waldgebiet einen polnischen Soldaten, den sie unter dem Vorwand der Hilfe mit zum nahen Waisenhaus nehmen.

Dabei ahnt der entkräftete Soldat nicht einmal, dass er hier außer einem weiteren Kind mit Namen Maurice, niemanden mehr lebend vorfinden wird. 

Allerdings ist Maurice auch der Sohn der Familie, die das Waisenhaus geleitet hatte. Allerdings sind seine Familie und alle anderen Waisenkinder außer Ofelia und Otto hier an Typhus gestorben.

Doch Hilfe darf der Soldat ebenfalls nicht erwarten, denn er wird von Maurice mit einer Axt geköpft und dessem Fleischvorrat hinzugefügt, den der Junge mit Hilfe von Otto und Ofelia anlegt, um die nächsten Monate zu überstehen. Denn die Kinder sind offenbar längst in ihrer Not zu Kannibalen geworden.

Doch während Ofelia sich diesem Schicksal und Maurice in reiner Selbstaufgabe fügt, will Otto eigentlich nichts davon essen, was Maurice in der Küche zubereitet. Weiß er ja doch, dass es sich hier um Menschenfleisch handelt.

Aber Ofelia weiß auch, dass es nichts Gutes für sie und ihren kleinen Bruder bringt, sich gegen Maurice aufzulehnen, denn auch ihr Leben hängt bei Maurice eher an einem seidenen Faden. Im Grunde benötigt er die Geschwister ja nur noch, um die benötigte Anzahl an lebenden Opfern heranzuschaffen.

Maurice ist hinsichtlich der potentiellen Opfer durchaus wortgewandt. Auch selbst dann, wenn er nur mit den Leichen seiner Eltern spricht. Allerdings kann Maurice es nicht ertragen, wenn man ihm direkt in die Augen sieht. Und weil er insgeheim eine Panik vor den Blicken anderer hat, konserviert er nicht nur die Augen der Opfer, sondern auch die der an Typhus gestorbenen Leichen im Waisenhaus in Gläsern ein.

Aber auch Otto wird im Haus von Angst getrieben, denn während sich seine Schwester ihrem grausamen Schicksal zu fügen scheint, hat er Angst vor den Spielzeugpuppen im Haus, die Maurice in einem entlegenen Zimmer zusammengetragen hat.

Aber auch Momo fehlt Otto, wobei Ofelia ihm sagt, dass auch dieser längst an der Krankheit verstorben sei. Im Gegensatz zu Ofelia ist sich Otto doch fasst sicher, dass die von Maurice verbannten Puppen lebendig sind. Und als er die Gläser mit den von Maurice konservierten Augen findet, beginnt er diese den Puppen einzusetzen, worauf sie wirklich wieder zu leben scheinen und mit Otto nun sogar kommunizieren.

  Denn in den Spielzeugpuppen leben die Seelen der an Typhus verstorbenen Waisenkinder weiter und die wollen zur Rettung von Otto und Ofelia dem psychopathischen Maurice entgültig das blutige Handwerk legen.

In der Zwischenzeit reift in Maurice allerdings längst der Gedanke, nun auch Otto und Ofelia seinem "Fleischvorrat" hinzuzufügen. Ofelia und Otto treffen im Wald indessen auf den deutschen Jagdflieger, Leutnant Heiner von Haas, dessen Maschine nach einem Luftkampf abgestürzt ist.

Von Haas ahnt nicht, welches schreckliche Schicksal ihm blüht, als er den Kindern zum scheinbar verlassenen Waisenhaus folgt. Doch seine Anwesenheit bringt den Stein ins Rollen, welcher noch für weitere Todesopfer verantwortlich sein wird. Dabei bleiben auch die Seelen der Verstorbenen in den Puppen nicht untätig.

Doch können Otto und seine Schwester Ofelia ihrem schrecklichen Schicksal wirklich entkommen?

  • MIT LEEREN AUGEN
  • Horror-Comic
  • Autor: Diego Agrimbau
  • Zeichnung & Farbe: Juan Manuel Tumburus
  • Erstveröffentlichung April 2023/Splitter Verlag
  • ISBN: 978-3-98721-041-9

Der Comic unter dem Titel „MIT LEEREN AUGEN“ ist das erste Comicprojekt seitens des Autor Diego Agrimbau gewesen, wobei er hier in Sachen Zeichnungen und Farbgebung tatkräftig von Juan Manuel Tumburus unterstützt wurde. Dieses zuerst in Frankreich veröffentlichte Horror-Comic besticht bereits durch seine sehr gefällige Art der Darstellung hinsichtlich der einzelnen Figuren.

Und man könnte den kleinen, eher dicklichen Maurice durchaus auch als Leser recht lustig finden, wüsste man nicht bereits aus dem Anfang der Geschichte, mit welcher Gefühllosigkeit und Grausamkeit dieses Kind vorgeht, nur um seinen Nahrungsvorrat an menschlichem Fleisch aufzufüllen.

Dumm oder wirklich kindlich scheint Maurice hierbei zu keiner Zeit vorzugehen und wirkliche Empathie scheint bei diesem Jungen auch nicht vorhanden zu sein. Dabei ist er irgendwie eigentlich auch erst einmal nur ein Opfer, welches eben nur das Glück hatte, wie Otto und seine Schwester Ofelia, nicht an Typhus gestorben zu sein.

Otto und Ofelia indessen können einem wirklich leid tun. Denn während Otto sich langsam gegen Maurice und dessen grausamen Kannibalismus aufzulehnen beginnt, scheint seine etwas ältere Schwester Ofelia jegliche Hoffnung verloren zu haben und fügt sich nun eher völlig hilflos in ihr schreckliches Schicksal. Ein Comic für Kinder ist also der als Hardcover veröffentlichte Comic „MIT LEEREN AUGEN“ schon durch diese Schilderungen sicherlich nicht.

Auch was die äußerst gelungenen Zeichnungen betrifft, so sparen sie nicht mit einer gewissen Härte, wenn man z.B. die Leichen der verstorbenen Waisenkinder in ihren Bettchen sieht, bei denen Maurice wohl gleich nach ihrem Tod auch noch die Augen entfernt hat. 

Letzteres trifft allerdings auf alle dargestellten Leichen zu, einschließlich der Eltern von Maurice. Aber auch die Hoffnungslosigkeit bzw. Angst von Otto und Ofelia wird hier in den Darstellungen ihrer Gesichtszüge geradezu perfekt eingefangen.

Die einzelnen Bilder an sich schildern somit bereits eine schaurig bis erschreckende Geschichte, so das hier der Text bzw. die Dialoge der einzelnen Figuren dies eigentlich nur noch inhaltlich verstärken können. Ein weiterer Pluspunkt ist die gut gewählte Farbgebung, welche die einzelnen Bilder und Szenen in eine gelungen düstere Atmosphäre tauchen.

Alles in allem kann ich hier einer durchaus erwachsenen Leserschaft dieses hervorragende Comic-Album (Hardcover) aus dem Bereich des schaurigen Genre nur wärmstens ans Herz legen. Den Status eines grandios-düsteren Highlight in Sachen Horror-Comics aus dem Splitter Verlag dürfte das Album mit dem Titel „MIT LEEREN AUGEN“ dabei sicherlich für sich beanspruchen dürfen.

 © by Konrad Wolfram

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