Translate

Sonntag, 27. Februar 2022

Ein Interview mit dem Autor Ulf Schiewe

Ingo Löchel: Herr Schiewe, können Sie den Lesern kurz etwas über Ihre Person erzählen?

Ulf Schiewe: Ich bin im Weserbergland geboren, in Münster aufgewachsen und bin nach dem Gymnasium zur Informatik gekommen, als die noch ziemlich in den Anfängen steckte.

Ich war Software-Entwickler, später Marketing-Manager und Geschäftsführer für europäische Niederlassungen amerikanischer Softwarefirmen und bin international sehr viel herumgekommen.

Ingo Löchel: 2009 gaben Sie mit dem Buch "Der Bastard von Tolosa" ihr Roman-Debüt. Wie kam es dazu?

Ulf Schiewe: Ich war schon immer eine unverbesserliche Leseratte und hatte mit 56 plötzlich die Idee zu schreiben.

Ich hatte über den Ersten Kreuzzug gelesen, ein faszinierendes Thema, und wollte einen Roman über diese Zeit schreiben.

Ingo Löchel: Worum geht es in dem historischen Roman?

Ulf Schiewe: Meine Idee war, nicht den Kreuzzug an sich zu erzählen, sondern über einen, vom Krieg gezeichneten Heimkehrer zu schreiben, der sich nach 14 Jahren Krieg, auf seiner Burg in der Heimat zur Ruhe setzen will, und natürlich alles anders vorfindet, als er sich das vorgestellt hatte, angefangen von seiner sitzengelassenen Ehefrau, die gar nichts von ihm wissen will, bis hin zu mörderischen Intrigen und Kämpfen um sein Erbe.

Ingo Löchel: Wie lange haben Sie an Ihrem Debüt-Roman geschrieben, der mit fast 900 Seiten sehr umfangreich geworden ist? 

Ulf Schiewe: Ich habe vier Jahre daran gearbeitet, zumal ich ja noch voll berufstätig war. Der Roman ist umfangreich geworden, einmal weil er voller Abenteuer und unerwarteten Wendungen steckt, aber auch, weil er ein getreues Sittenbild der Zeit zeichnet.

Ich habe sehr intensiv recherchiert. Wer sich für das Hochmittelalter interessiert, wird hier sehr bereichert werden.

Ingo Löchel: 2011 erschien mit "Die Comtessa" Ihr zweiter Roman, indem mit Arnaut Montalban, dem Enkel von Jaufré, ein weiteres Mitglied der Familie Montalban die Hauptrolle spielt. Ist der Roman eine Art Fortsetzung von "Der Bastard von Tolosa"?

Ulf Schiewe: Nein, eigentlich nicht. Der Roman steht für sich alleine, auch wenn weiter von der Familie Montalban die Rede ist und auch Jaufré kurz darin vorkommt.

Das Buch handelt von einer wahren Begebenheit, der versuchten Zwangsverheiratung der jungen Gräfin von Narbonne mit einem mächtigen Fürsten, die mit Hilfe von Arnaut vor der Hochzeit flüchtet, unterwegs ein Heer sammelt und mit Unterstützung des Grafen von Barcelona ihr Narbonne zurückerobert. Natürlich verliebt sie sich dabei in Arnaut, dem wackeren Kämpfer an ihrer Seite.

Ingo Löchel: Wie viele Jahre nach "Der Bastard von Tolosa" spielt denn die Handlung von "Die Comtessa"?

Ulf Schiewe: „Die Comtessa“ spielt 1142, während die Rahmenhandlung des „Bastard von Tolosa“ 1132 endet. Die eigentliche Geschichte des ersten Bandes spielt allerdings im Jahre 1110.

Ingo Löchel: Neben Arnaut ist Ermengarda die zweite Hauptperson des Romans. Wie würden Sie Arnaut und Ermengarda beschreiben? Was sind die beiden für Menschen?

Ulf Schiewe: Ermengarda ist trotz ihrer zarten Jugend eine ziemlich starke und entschlossene Frau. Natürlich sind ihre Möglichkeiten als Frau beschränkt, aber sie hat tatkräftige Unterstützer, allen voran der junge Arnaut, der bei seinem Großvater Jaufré aufgewachsen ist. Er ist ein ehrlicher, bescheidener Mann, aber ein guter Anführer.

Ingo Löchel: Mit dem "Die Hure Babylon" wurde die Montalban-Trilogie 2012 von Ihnen abgeschlossen, in dem wiederum Arnaut und Ermengarda die Protagonisten sind. Wie geht die Geschichte der beiden Liebenden weiter?

Ulf Schiewe: Dieser Roman ist eine Fortsetzung, obwohl er auch eine in sich eine abgeschlossene Geschichte darstellt. Zunächst erfahren wir, wie es mit der Liebe zwischen Ermengarda und Arnaut weitergeht.

Aber schon im ersten Satz wird man eigentlich mit dem Hauptthema konfrontiert, denn Ermengarda muss zu ihrem Leid erleben, wie man Arnaut dazu überredet, sich auf den zweiten Kreuzzug zu begeben. Für sie ein Todesurteil, denn sie ist überzeugt, sie sieht ihn nie wieder.

Ingo Löchel: Auf was soll der Titel des Buches hinweisen?

Ulf Schiewe: Dieser zweite Kreuzzug endet unter großen Verlusten im Desaster. Eigentlich wollte nach dem ersten Kreuzzug niemand erneut ins Heilige Land ziehen.

Nur dem Ehrgeiz der Kirche und den Hetzpredigten des Heiligen Bernhards ist es zu verdanken, dass zwei Könige, Konrad und Louis, sich überreden ließen, das Wagnis zu unternehmen.

In der Johannes-Offenbarung ist von der Hure Babylon die Rede, gemeint ist das antike Rom, die sündige Verführerin der Welt. Ich habe hier den Begriff verwendet, um damit das Rom der katholischen Kirche zu bezeichnen, die die Menschen in diesen sinnlosen Krieg treibt.

Ingo Löchel: 2012 erschien mit "Das Schwert des Normannen" der erste Band Ihres Normannen-Mehrteilers. Worum es geht in dem Roman?

Ulf Schiewe: An deutschen Schulen wird wenig über italienische Geschichte gelehrt. Kein Wunder also, dass kaum jemand weiß, dass im 11. Jahrhundert normannische Raubritter, die als Söldner nach Süditalien kamen, sich unter Führung der Brüder Hauteville organisieren und im Laufe der Jahre ganz Süditalien und Sizilien erobern konnten.

Dieser normannische Staat wurde zu einem der bedeutendsten Königreiche Europas und ich erzähle die frühe Geschichte seiner Entstehung.

Ingo Löchel: Gilbert (der eigentlich Brynjarr heißt) wird von der normannischen Familie Hauteville in Frankreich aufgezogen.

Vorher wurde er aber von einem Mitglied der Familie Hauteville aus einem Dorf geraubt, wobei seine Mutter ums Leben kam. Verbirgt sich hinter der Herkunft von Gilbert ein Geheimnis?

Ulf Schiewe: Ja, aber das werde ich hier natürlich nicht verraten. In Band 3 wird es gelüftet. Und in Band 2 meiner Wikinger-Trilogie wird auch davon erzählt. Der junge Gilbert ist der Ich-Erzähler dieser Serie.

Er ist eigentlich das Kind eines Wikingers, wird von den Normannen geraubt und wächst als Schweinhirt bei den Hautevilles in Frankreich auf, steigt aber im Laufe der Geschichte zur rechten Hand des späteren Herzogs von Apulien auf, dem großen Normannen Robert Guiscard de Hauteville. Er erlebt alles mit und hat in entscheidenden Momenten oft selbst die Hand im Spiel.

Ingo Löchel: Der Roman "Das Schwert des Normannen" endet im Jahr 1053 mit der Schlacht von Civitate. Was hat es mit dieser Schlacht auf sich?

Ulf Schiewe: Die normannischen Raubritter hatten ziemlich gehaust in Süditalien. Sie haben nicht nur geraubt und geplündert, sondern sich auch Land angeeignet, Burgen gebaut.

Täglich gelangten Klagen an die Ohren des Papstes, bis der genug hatte und mit einem großen Heer gegen diese Satansbrut ins Feld gezogen ist, um sie ein für alle Mal zu vertreiben. Es kam zur alles entscheidenden Schlacht bei Civitate.

Ingo Löchel: Als Protagonistin im Roman agiert Gerlaine, die auch in den drei Fortsetzungen eine wichtige Rolle spielt. Wer ist Gerlaine?

Ulf Schiewe: Gerlaine ist die eigensinnige Tochter eine griesgrämigen Schmieds im Dorf der Hautevilles in der Normandie. Sie verliebt sich in Gilbert.

Und als Robert Guiscard vor den Kriegern des Herzogs flüchten muss und Gilbert mit auf die Reise nach Süden nimmt, schließt sie sich dem kleinen Häuflein normannischer Krieger an, die nach Italien ziehen, um dort ein Söldnerleben zu führen. Gerlaine ist Gilberts große Liebe, die aber durch einige Feuer gehen muss.

Ingo Löchel: Nach den beiden Büchern "Die Rache des Normannen" (2014) und "Der Schwur des Normannen" wurde der Normannen-Vierteiler 2016 mit dem Roman "Der Sturm der Normannen" von Ihnen abgeschlossen.

Wie nah sind die Abenteuer von Gilbert und Gerlaine sowie von den Mitgliedern der Familie Hauteville an den wahren geschichtlichen Ereignissen, insbesondere in Sizilien, angelehnt?

Ulf Schiewe: Jeder der vier Romane ist eine eigenständige Episode, aber zusammengenommen erzählen sie die Entstehung des Reichs der Normannen in Italien und die Lebensgeschichte der daran beteiligten Protagonisten.

Alle wichtigen Figuren, mit Ausnahme von Gilbert und Gerlaine, sind historisch belegt genauso wie alle wichtigen Ereignisse. Sogar einige kleinere Abenteuer der Normannen finden sich in den alten Chroniken.

Auch Teil 3, der in Sizilien spielt basiert auf der Tatsache, dass Roberts Bruder, Roger, mit 60 Mann eine frühe, militärische Expedition nach Sizilien unternahm und einem der dortigen Berberfürsten half, dessen Feinde zu schlagen.

Diese Expedition hat wahrscheinlich den Appetit der Normannen auf das arabisch besetzte Sizilien geweckt.

Ingo Löchel: Ist also Ihre Normannen-Vierteiler eine 'Beschreibung' der Geschichte der Familie Hauteville sowie der Eroberung Siziliens durch die Normannen?

Ulf Schiewe: So ist es. Natürlich sind dies keine Sachbücher, sondern hier wird Geschichte in Form von spannenden Abenteuern vermittelt.

Ich hatte noch zwei weitere Episoden geplant, aber der Verlag hat leider nicht mitgespielt, so dass ich die eigentliche Eroberung Siziliens nicht mehr erzählen konnte.

Teil 4 endet mit der Versöhnung mit dem Papst und der Verleihung der offiziellen Herzogwürde für Robert Guiscard als Herrscher über Süditalien.

Ingo Löchel: Wird es irgendwann weitere Normannen-Romane aus Ihrer Feder geben, da unter anderem auch die Geschichte von Gilbert und Gerlaine noch nicht auserzählt ist?

Ulf Schiewe: Ich würde es mir wünschen. Im Moment sieht es aber nicht danach aus.

Ingo Löchel: 2016 erschien Ihr Roman "Bucht der Schmuggler", der 2015 unter dem Titel "Gold des Südens" als Ebook-Serie erschien. War es von Anfang an geplant, den Roman in Form einer Serie erscheinen zu lassen?

Ulf Schiewe: Der Start des Buchs war als eBook, aber es sollte immer auch die Printausgabe folgen. Ich hatte es tatsächlich als Serie geplant. Leider hat mir auch hier der Verlag einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es ist aber trotzdem eine angeschlossene Geschichte.

Ingo Löchel: Worum geht es in "Gold des Südens" bzw. "Bucht der Schmuggler"?

Ulf Schiewe: Das Buch spielt zur Zeit des 30-jährigen Kriegs, als Spanien Mühe hatte, seine Kolonien in der Karibik ausreichend zu schützen. Die Karibik wurde schnell zum El Dorado der Schmuggler und Piraten.

Mein Held ist ein junger Kaufmann aus Bremen, dessen Familienunternehmen pleite ist, und der sich mit seinem Schiff in letzter Minute vor dem Schuldturm rettet, um eine Schmugglerkarriere in der Karibik zu beginnen, wo es ihm aber beinahe an den Kragen geht, wenn da nicht die schöne Doña Maria wäre.

Ingo Löchel: Mit "Thors Hammer" erschien 2017 der erste Roman Ihrer "Herrscher des Nordens"-Trilogie. Worum geht es in dem Buch?

Ulf Schiewe: Es handelt sich um eine Trilogie, die das abenteuerliche Leben des späteren norwegischen Königs Harald Hardrada beschreibt. Die drei Teile sind im Grunde ein einziger großer Roman. Man kann sie nicht getrennt lesen.

Teil 1 erzählt Haralds Jugend, die große Schlacht von Stikla Stad, bei der sein Bruder, König Olaf, stirbt und Harald vor seinen Feinden nach Russland fliehen muss. Dort wird er Söldnerführer des Großfürsten der Rus.

Teil 2 erzählt von seiner Verteidigung Kiews gegen die Horden der Steppenreiter und berichtet von seinen Abenteuern bei den Byzantinern, wo er Anführer der Waräger-Garde des Kaisers ist.

Teil 3 erzählt von dem großen Aufstand in Konstantinopel und schließlich von seiner Heimkehr über Kiew nach Norwegen, wo er am Ende zum König gewählt wird.

Die Trilogie ist voller Abenteuer. Sie ist aber auch das Porträt eines faszinierenden Mannes und dessen Entwicklung vom Knaben zum reifen Herrscher. Und natürlich erzählt es auch von seinen Frauen und Kindern, Freunden und Verwandten, all den Menschen, die ihn in seinem Leben begleiten.

Ich habe ebenfalls versucht, die Welt der Nordmänner realistisch darzustellen, ihre Leben und ihre Gebräuche, ihre Götterwelt und Motivation, das Abenteuer in der Welt zu suchen.

Ingo Löchel: Im Gegensatz zum "Montalban"-Trilogie und zum "Normannen"-Mehrteiler wählten Sie für Ihre Trilogie mit Harald „Hardrada“ Sigurdsson eine historische Figur als Ich-Erzähler. Warum eine historische Figur als Protagonist und Ich-Erzähler?

Ulf Schiewe: Harald ist nicht nur Ich-Erzähler, sondern er erzählt seine Geschichte auch noch im Präsens. Der Leser ist also ganz dicht dran an der Person wie auch an den Ereignissen. Der Leser sitzt meinem Harald also quasi auf der Schulter. Das war ein Experiment und ich glaube, es ist gut gelungen, wenn man die Reaktionen der Leser betrachtet.

Ingo Löchel: Wie nah ist die Romanfigur an der historischen Person des Harald Hardrada Sigurdsson angelehnt?

Ulf Schiewe: So nah wie ich ermitteln konnte. Meine Recherche basiert auf der „Heimskringla“, der Sagensammlung aus dem 13. Jahrhundert die heute die Basis der norwegischen Geschichtsschreibung darstellt, und den Forschungen von Historikern, die sich mit der Zeit und Haralds Leben befasst haben.

Alle wichtigen Ereignisse und Personen sind historisch. Natürlich kommen dazu noch fiktive Elemente, um eine spannende Geschichte zu entwickeln.

Ingo Löchel: Nach "Thors Hammer" werden in "Odins Blutraben" (2017) die weiteren Abenteuer von Harald beschrieben. Von Russland aus geht es nach Konstantinopel, wo er ein Offizier der Waräger wird. Was genau waren die Waräger? Nur die Leibwache des Kaisers von Byzanz und/oder auch ein Kontigent der byzantinischen Armee?

Ulf Schiewe: Die Waräger wurden ursprünglich als ausländische Schutztruppe des Kaisers aufgestellt. Man bevorzugte Skandinavier, die keine Gefahr für den Thron darstellten.

Aus der Schutztruppe wurde mit der Zeit aber auch eine Elite-Kampfeinheit, die an verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt wurde. So kämpfte Harald gegen Piraten im Mittelmer, in Syrien, in Sizilien und in Bulgarien.

Ingo Löchel: In "Die letzte Schlacht" (2018), dem Ende der "Herrscher des Nordens"-Trilogie, kommt es nach dem dritten Teil des Romans zu einem Cut, nachdem Harald 1047 König von Norwegen geworden ist.

Der letzte Abschnitt beginnt 18 Jahre später, also im Jahr 1065. Warum der plötzlich Schnitt in der Handlung, wodurch der Leser nichts über Haralds Zeit als König von Norwegen erfährt?

Ulf Schiewe: Das stimmt nicht ganz, denn die wichtigen Ereignisse dieser 18 Jahre werden in einer Retrospektive von Harald selbst berichtet. Warum ich hier einen Sprung gemacht habe?

Erstens hätte ich sonst noch ein weiteres Buch schreiben müssen. Und ich denke, es wäre langweilig geworden, denn diese 18 Jahre hätten nichts besonders Interessantes hinzugefügt, außer mehr Plünderungen und Kämpfe in Norwegen.

Mir kam es eher darauf an, wie es kam, dass er König wurde, die dramatische Beziehung zu seiner Frau Elisif und wie sein Leben schließlich endete. Die 18 Jahre dazwischen hätten das Buch unnötig in die Länge gezogen, ohne viel Neues beizutragen.

Ingo Löchel: Im letzten Teil des Romans zieht Harald mit einem Heer nach England, da er Anspruch auf die englische Krone erhebt.

Am 20. September 1066 gewinnt er die Schlacht bei Fulford, wird aber fünf Tage später, am 25. September 1066 in der Schlacht bei Stamford Bridge getötet. In wieweit war der Anspruch von Harald auf den englischen Thron überhaupt berechtigt?

Ulf Schiewe: Sein Anspruch hatte schon Berechtigung. Vielleicht sogar mehr als der des Normannen Wilhelm. Wilhelms Anspruch war nur ein vages Versprechen. Harald dagegen war Erbe seines Neffen Magnus, der König von Dänemark gewesen war. Und zu Dänemark gehörte zur Zeit Magnus‘ auch die englische Krone durch den dänischen König Knut dem Großen, der bis zu seinem Tod in England geherrscht hatte.

Ingo Löchel: Was fasziniert Sie so sehr am Mittelalter?

Ulf Schiewe: Das Mittelalter ist uns vertraut und immer noch nah, weil vieles, das im Mittelalter entstanden ist, noch heute Teil unseres Lebens ist. Wir sehen die Kirchen, die Burgen, die alten Plätze und Rathäuser. Das Konzept der Lehre entstand im Mittelalter, die Banken, die Welt des Handels.

Und gleichzeitig hat das Mittelalter etwas Exotisches, Faszinierendes. Eine Welt voller Aberglauben und Abenteuer, die Erfindung der romantischen Liebe in der Minne-Literatur, aber auch die schrecklichen Ereignisse, Schlachten und Metzeleien.

Ich mag besonders das Hochmittelalter, als es noch eine gewisse soziale Mobilität gab. Ein Reitersöldner konnte zum Ritter, Grafen oder sogar Herzog aufsteigen, wie die Hautevilles in Italien.

Ingo Löchel: Hatten Sie Vorbilder aus Ihrer Kinder- oder Jugendzeit an denen Sie sich beim Schreiben Ihrer historischen Romane orientieren?

Ulf Schiewe: Ich habe immer viel gelesen. Da färbt sicher Einiges ab. Aber ein direktes Vorbild gab es nicht.

Ingo Löchel: Was unterscheidet Ihre Romane von anderen historischen Romanen?

Ulf Schiewe: Ohne andere Romane zu bewerten, die meinen basieren immer auf Fakten, aber vermischt mit genug Fiktivem, um daraus spannende und dramatische Geschichten zu machen. Das ist mein Anliegen als Erzähler. Ich achte historische Fakten und verfälsche sie nicht.

Denn die Historie bietet genug wundervollen Stoff, wenn man den umzusetzen weiß. Wenn ich aus dramaturgischen Gesichtspunkten etwas an den Tatsachen ändere, was selten vorkommt, dann erkläre ich das im Nachwort.

Ingo Löchel: Wie wählen Sie die Themen zu Ihren Büchern aus?

Ulf Schiewe: Irgendeine Episode spricht mich an. Ich lese dann darüber und wenn ich merke, hier ist Romanpotential vorhanden, dann gehe ich tiefer in die Materie. Ich stelle mir die passenden Figuren dazu vor, historische und fiktive, und entwickle eine grobe Plotidee.

Ingo Löchel: Wie wichtig sind Recherchen für Ihre historischen Romane?

Ulf Schiewe: Sehr wichtig. Das ist die Basis, auf der meine Geschichten aufbauen. Man findet immer wieder Perlen, die man sich selbst kaum ausdenken würde.

Zum Beispiel, in meiner Recherche zu Harald fand ich, dass es Gerüchte gab, er hätte etwas mit der Kaiserin Zoe gehabt. Obwohl die Dame angeblich zwar sehr hübsch aber immerhin dreißig Jahre älter war. Das ist natürlich eine Steilvorlage für den Romancier, der ich nicht widerstehen konnte.

Ingo Löchel: Wie sieht grundsätzlich Ihre Vorarbeit zu einem Roman aus?

Ulf Schiewe: Zunächst mal suche ich im Internet nach professioneller Lektüre zum Thema. Meist drei bis fünf Werke, die ich mir dann kaufe. Die studiere ich eingehend, markiere Stellen, mache mir Notizen.

Dann entwickle ich Figuren und eine erste Plotidee. Daraus ergibt sich ein Exposé für das Projekt, das ich beim Verlag einreiche. Bei Auftrag geht es einfach weiter, zusätzliche Recherchen zu gewissen Einzelheiten, ich verfeinere mein Plot, und irgendwann geht’s an Schreiben.

Ingo Löchel: Wie lange schreiben Sie danach an einem Roman?

Ulf Schiewe: Im Schnitt 25 bis 30% Recherche, der Rest ist Textarbeit.

Ingo Löchel: Nach dem Roman "Die letzte Schlacht" erschien 2018 mit "Land im Sturm" Ihr neues Buch. Um was geht es in diesem historischen Roman?

Ulf Schiewe: „Land im Sturm“ ist ein einmaliges Projekt. Das Buch hat über 900 Seiten und da erzähle ich deutsche Geschichte über fast 1000 Jahre anhand von fünf bedeutsamen Episoden. Von der Schlacht gegen die Ungarn 955 bis zur Revolution 1848.

Aber aus Sicht einfacher Menschen, die in den Strudel der Ereignisse gezogen werden. Dabei handelt es sich um drei Familien, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder begegnen und die historischen Entwicklungen am eigenen Leib erfahren.

Ingo Löchel: Herr Schiewe, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

 

Die Romane von Ulf Schiewe

Montalban
  • 2009: Der Bastard von Tolosa
  • 2011: Die Comtessa
  • 2012: Die Hure Babylon
Die Normannen
  • 2013: Das Schwert des Normannen
  • 2014: Die Rache des Normannen
  • 2015: Der Schwur des Normannen
  • 2016: Der Sturm der Normannen
Herrscher des Nordens
  • 2017: Thors Hammer
  • 2017: Odins Blutraben
  • 2018: Die letzte Schlacht
Sonstige Bücher
  • 2016: Bucht der Schmuggler (2015 als eSerie unter "Gold des Südens" erschienen)
  • 2018: Land im Sturm
  • 2019 Der Attentäter,
  • 2020: Die Kinder von Nebra
  • 2021: Die Mission des Kreuzritters

Keine Kommentare: