Ingo Löchel: Herr Haensel, können Sie den Lesern des Ingo Löchels kurz etwas über Ihre Person erzählen. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und wer waren Ihre Vorbilder?
Hubert Haensel: Da muss ich fast schon ein halbes Jahrhundert zurück blicken. Ich war acht, als ich die ersten utopischen Romane und auch Comics in die Hand bekam und beides mit Begeisterung verschlang.
Das eine waren die sogenannten Leihbücher, die ich damals im Wochenabstand für meinen Vater holen musste und die ich natürlich dann auch selbst las. Das andere war Nick, der Weltraumfahrer, der mir die Abenteuer im Weltraum bildlich vor Augen führte.
Später, während meiner Zeit auf dem Gymnasium, waren es vor allem die Hefte der „TERRA“-Reihe, die ich mir regelmäßig kaufte und ab Band 209 der Erstauflage „PERRY RHODAN“. „REN DHARK“ und „REX CORDA“ kamen hinzu.
Das alles weckte mein Interesse an Raumfahrt, Astronomie und den damit zusammenhängenden Themen, und zu dem Zeitpunkt begann mein Traum, selbst einmal Romane zu schreiben. Ohnehin las ich damals sehr viel, nicht nur SF, sondern auch Fantasy und Abenteuerromane.
Nahezu alle Karl May-Bücher
habe ich ebenfalls gelesen. Meine Vorbilder waren »Doc« E. E. Smith und Robert
E. Howard. Und bei den deutschen Autoren Clark Darlton, K.H. Scheer und William
Voltz. Auch Romane von Hans Kneifel sind mir in guter Erinnerung geblieben, ich
denke da gerne an Das Logbuch der Silberkugel.
Ingo Löchel: Wann, wo und unter welchem Titel wurde Ihr erster Roman veröffentlicht?
Hubert Haensel: Das war 1978 in der Reihe „TERRA ASTRA“, und zwar Band 379 »DAS GEISTERSCHIFF. Vorausgegangen war einige Zeit vorher ein Kurzgeschichtenwettbewerb des Kelter Verlags. Meine Story “MENTALITÄT“ gewann dort den zweiten Preis, und für mich war das Ansporn, mich an einem längeren Roman zu versuchen.
Zwei Manuskripte waren für mich eine Fingerübung und eigentlich nur für den Papierkorb gut. Ich habe sie nie irgendwo eingereicht, aber ich konnte an ihnen autodidaktisch lernen. Erst mein drittes Manuskript befand ich für brauchbar und habe es an den Pabel-Verlag eingereicht.
Ich musste es damals noch einkürzen, aber es wurde angenommen, und für mich war das der Ansporn, weiterzumachen.
Ingo Löchel: Mit „DER SCHWEFELFLUSS“ gaben Sie im September 1980 Ihr Mythor-Debüt. Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie zum Mythor-Team gestoßen sind?
Hubert Haensel: Auf dem Umweg über Atlan. Vielleicht war das auch kein Umweg, sondern eine völlig normale Entwicklung. Nach meinem dritten Roman für Terra Astra durfte ich mir jedenfalls einen zweiten Traum erfüllen und bei Atlan mitschreiben, der Schwesterserie von Perry Rhodan.
Gleich bei meiner ersten Atlan-Konferenz kam im Gespräch mit Günter M. Schelwokat mein Interesse auch für Fantasy zum Vorschein. Die ersten zwanzig Mythor-Exposés lagen damals schon vor und Günter Schelwokat wollte mir bei den nächsten Exposés eine Chance geben.
Dass daraus sofort ein
Doppelband werden würde, hätte ich mir in dem Moment noch nicht träumen lassen.
Band 21 „DER SCHEFELFLUSS“ und Band 22 „DAS NEST DER NADELSCHLANGE“ waren für
mich so etwas wie ein Sprung ins kalte Wasser: Ich musste mir meine ersten
Sporen in einem neuen Genre verdienen. Schließlich wurden es 31 Romane für
Mythor.
Ingo Löchel: “DER SCHWEFELFLUSS“ ist ein etwas ungewöhnlicher Mythor-Roman, in dem im Grunde der Schmied Duprel Selamy die Hauptrolle spielt. War das von Anfang an so gewollt und geplant?
Hubert Haensel: Uff. Die Frage lässt mich nach so langer Zeit zögern. Ich glaube, ich habe das Gewicht damals etwas mehr auf den Schmied gelegt, um größere Freiheit beim Schreiben zu haben und nicht sofort bei Mythors Charakterisierung ins offene Messer zu laufen. Inwieweit ich eine eigenmächtige Gewichtung vorgenommen habe, die ja absolut nichts Schlimmes ist, kann ich aus dem Stegreif aber nicht mehr sagen.
Dazu müsste ich die alten Exposés aus einem Wust von Papier hervorsuchen. Das ist aber nichts, was auf die Schnelle machbar wäre. In dreißig Jahren hat sich zu viel angesammelt, alles gut verpackt in Kartons, die zum Teil nicht einmal beschriftet sind.
Ingo Löchel: Wie muss man sich die Arbeit als Autor an einer Serie wie Mythor vorstellen? Konnte man eigene Ideen einbringen und hatten Sie als Autor ein Mitspracherecht in Bezug auf die Handlung und den weiteren Verlauf der Serie?
Hubert Haensel: Das war bei Mythor nicht viel anders als bei allen Serien, die sich durch einen roten Faden auszeichnen. Es galt, diesen Faden einzuhalten, den Ausgangspunkt und den Endpunkt und alle relevanten Gegebenheiten. Manches wird schließlich in einer Fortsetzungsserie auch erst später wichtig.
Darüber hinaus hat der Autor natürlich die Freiheit, die Perspektive zu wählen, aus der er berichtet, eigene Figuren einzuführen, Gewichtungen zu verändern. Das Exposé ist als eine Art Gerüst und Wegweiser zu sehen, das der Autor mit Fleisch und Leben behängt.
Ideen konnten also jederzeit im
Kleinen eingebracht werden. Im Großen natürlich ebenso. Die Frage ist immer
nur, was davon im Rahmen der schon bestehenden Planung tatsächlich realisiert
werden kann.
Ingo Löchel: Kannten sich die Autoren untereinander und gab es eine Zusammenarbeit zwischen den Autoren der Serie?
Hubert Haensel: Ich kann jetzt nur für mich sprechen. Ich kannte jedenfalls die meisten Autoren schon aus meiner Mitarbeit bei Atlan: Ernst Vlcek, Hans Kneifel, Horst Hoffmann, Peter Terrid ...
Allerdings war es damals wesentlich schwieriger als heute, detailliert zusammenzuarbeiten. Man darf nicht vergessen, dass vor dreißig Jahren ein PC noch exotisch und schnelle Kommunikation über Internet schlicht utopisch war.
Manuskripte mussten mit einem Original und vier Durchschlägen mit Kohlepapier auf der Schreibmaschine geschrieben werden. Wer nicht nur mit einer mechanischen Maschine schrieb, sondern sich schon eine elektrische zugelegt hatte, dem bot sich wenigstens die Möglichkeit, einzelne Buchstaben bis hin zu Zeilen wieder vom Papier abzuheben (vom Original nur, wohlgemerkt).
Da war es schon ein Problem,
sich mit einem Kollegen abzusprechen und seitenweise abzuändern ganz zu
schweigen davon, dass man nur fernmündlich diskutieren konnte. Das begrenzte
die Änderungen zwangsläufig auf das unbedingt Notwendige.
Ingo Löchel: Gab es ein besonderes Ereignis in Bezug auf die Fantasy-Serie „MYTHOR“, an das Sie sich heute noch besonders gut erinnern?
Hubert Haensel: Ich habe besonders gerne über die Amazonen von Vanga geschrieben, vor allem hatte es mir die Kriegerin Burra angetan. Mag sein, dass dies damit zusammenhängt, dass ich sie in Heft 56 einführen durfte. Ich begann mit dem Werdegang der Burra heute würde man sagen, mit ihrer Lebensgeschichte , und ich legte sie im Stil der Samurai an.
Verschiedene Schwerthiebe und deren Benennung sind meiner Typenradschreibmaschine entsprungen. Allerdings legte ich mir seinerzeit auch ein Samuraischwert zu, um diese Hiebe auf ihre Wirksamkeit zu testen.
Nein, keine Angst: Das Mobiliar ist heil geblieben und es floss auch kein Blut. Aber es ist schon ein Unterschied, ob man sich in bestimmten Szenen nur auf seine Fantasie verlassen muss oder dem Ganzen etwas Greifbares hinzufügen kann. Maler arbeiten schließlich auch hin und wieder mit einem Modell.
Das Mythor-Fandom ist mir ebenso in angenehmer Erinnerung geblieben. Ich hatte sogar Besuch von Fans, und sie kamen mit einem fantastischen Nachbau von Mythors Lichtschwert.
Ingo Löchel: 1985 schrieben Sie mit „NOMADEN DER MEERE“ (# 189) und „KAMPF UM CAER“ (# 190) Ihre letzten beiden Mythor-Romane. Wie haben Sie von der Einstellung der Serie erfahren? Kam diese Entscheidung überraschend oder wurden die Autoren darüber frühzeitig informiert?
Hubert Haensel: Solche Entscheidungen kommen nie ein halbes Jahr oder länger im Voraus, das liegt einfach schon in der Natur der Sache. Allerdings fiel die Einstellung etwas abrupt aus, wenn man betrachtet, dass Band 199 quasi als mögliches Zyklusende schon sehr nahe war.
Im Übrigen ist es nur insoweit
richtig, dass die Hefte 189 und 190 meine letzten beiden Mythor-Romane waren,
als es das Erscheinen innerhalb der Serie betrifft. Zum Zeitpunkt der
Einstellung hatte ich schon Band 193 mit dem Titel „NYKERIEN ERWACHT“.fertiggestellt.
Dieser Roman wurde im Frühjahr 1986 zusammen mit anderem Material im Rahmen von
„MAGIRA“ abgedruckt.
Ingo Löchel: Haben Sie heute noch Kontakte zu Autoren oder Zeichnern aus der Mythor-Zeit?
Hubert Haensel: Das ist wie wohl mit allem im Leben: Die Pflichten verlagern sich, es gibt so viel Neues, das getan werden muss, und was bleibt, ist eine schöne Erinnerung. Die Zeit steht eben nicht still, vor allem hat sie inzwischen ihren Tribut eingefordert.
Natürlich hatte und habe ich Kontakt zu den Autorenkollegen, die bei Atlan und Perry Rhodan mitschreiben oder mitgeschrieben haben. Und Nikolai Lutohin hatte ich nach dem Ende von Mythor sogar in München getroffen, ihn auch besucht.
In den knapp 25 Jahren seit der Einstellung von Mythor sind leider schon einige Kollegen von uns gegangen.
Ingo Löchel: Was machten Sie nach Mythor?
Hubert Haensel: Ich schrieb zu jener Zeit nur nebenberuflich und war fest bei Atlan involviert. Dennoch schaute ich mich nach anderem um. Einige Romane für „DÄMONENKILLER“ und “DIE KATZE“ stammen von mir.
Danach habe ich viele Romane für die “SEEWÖLFE“ geschrieben, bevor ich meine eigene Serie „DIE ABENTEURER“ aus der Taufe heben durfte. Ja, ich habe mich damals in verschiedenen Genres umgesehen und Erfahrungen gesammelt. Die Schriftstellerei ist zwar kein Lehrberuf, aber es schadet weiß Gott nicht, sich Wissen und Fertigkeiten anzueignen.
Nebenher habe ich zu jener Zeit
das eine oder andere Perry Rhodan-Taschenbuch geschrieben, und 1994 durfte ich
bei Perry Rhodan in der Erstauflage einsteigen. Ich schrieb immer noch
nebenberuflich. Im Jahr 2002 habe ich mich endlich selbstständig gemacht und
bin seitdem hauptberuflich Autor.
Ingo Löchel: Herr Haensel, vielen Dank für
die Beantwortung der Fragen.
Hubert Haensel: Ich bedanke mich für Ihr
Interesse. Vor allem wünsche ich allen Lesern viel Spaß mit Mythor jenen, die
den Helden des Lichts kennen, beim wieder Durchblättern der Hefte und jenen,
denen Mythor noch etwas fremd ist, dabei, ihn und seine Welt kennenzulernen.
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