Ferryman
von Justin Cronin
Auf den in einem unbekannten Ozean liegenden Inseln
von Prospera lebt und arbeitet der “Fährmann” Proctor Bennet mit seiner Frau
Elise.
Bennet ist dafür verantwortlich, dass die
Prosperaner nach einem vollendeten
Lebenszyklus zur Nachbarinsel gebracht werden.
Dort befindet sich die geheimnisumwobene “Nursery“,
wo die Bewohner rebootet werden, um dann einen neuen Lebenszyklus zu beginnen.
Als er eines Tages seinen eigenen Erzieher (die Prosperaner haben keine leiblichen Kinder) zur Fähre begleiten muss...
...widersetzt
dieser sich und es kommt zu einem Tumult, nach dem Bennet das System zu
hinterfragen und einer kryptischen Äußerung seines Erziehers auf den Grund zu
gehen beginnt, die den Schlüssel zu einem großen Geheimnis darstellt.
- 2023 im Goldmann Verlag erschienen
- (Original: “The Ferryman”)
-
713 Seiten, Hardcover
Nach seiner fulminanten
Passage-Trilogie gelingt es dem Autor Justin Cronin mit seinem aktuellen Roman
zwar, die hohen Erwartungen an sein neues Projekt zu erfüllen, allerdings
erfordert es schon ein gewisses Maß an Geduld, bis man als Leser weiß oder auch
nur ahnt, worauf die anfangs etwas verworrene Geschichte hinausläuft.
Dabei resultiert der durchaus
beachtliche Sog und die Spannung in der ersten Hälfte vor allem aus einer Reihe
von Rätseln, die aber erst am Ende gelöst werden. Zunächst wäre da natürlich
die Frage, was es mit den mysteriösen drei Inseln auf sich hat und wo diese
sich befinden.
Zum einen die Hauptinsel, auf
der die Prosperaner wie in einem (allerdings isolierten) Paradies leben, dann
der Annex, eine kleine Insel nur für das Personal, und die Nursery.
Dies ist die wohl
rätselhafteste und interessanteste Insel, da es hier zum reboot der Bewohner
kommt, wenn sich deren Zyklus erschöpft oder - was später klar wird - sie aus
diversen Gründen erneuert werden müssen, weil sie etwa krank sind oder wie im
Fall von Bennet selbst, angefangen haben, herumzuschnüffeln.
Als Bennet (aus dem genannten
Grund) schließlich selbst dort landet, beginnt für ihn eine Odyssee, in deren
Verlauf er zunächst nicht schlauer und die Zusammenhänge nicht verständlicher
werden, aber immerhin beendet der Autor hier die Einführungsphase, in der es
noch recht ruhig und gemächlich zugeht.
Die Handlung wird
vielschichtiger, spannender und beginnt einen Sog zu entwickeln, dem man sich
bis zum Ende nicht mehr entziehen kann.
Was die Lösung des Ganzen
betrifft, kommen schon früh Vermutungen auf, wobei es hier einige Hinweise
gibt, die den Leser auf eine falsche Fährte locken.
So könnte man etwa glauben,
dass es dem mysteriösen Erschaffer darum geht, die Ausmaße der Population zu
kontrollieren, da ein Leben außerhalb der Insel offenbar nicht oder nicht mehr
möglich ist. Auch scheinen die Bewohner in der Nursersy geklont zu werden.
Die tatsächliche Lösung geht
dann allerdings in eine völlig andere Richtung, womit eigentlich auch das Genre
auf einmal ein ganz anderes ist, jedoch ist diese Lösung dann schon ziemlich
fantastisch und erscheint im Zusammenhang mit allen im Verlauf der Handlung
gestreuten Hinweisen logisch und glaubwürdig.
Wer nach der epischen Passage -
Trilogie ein ähnlich komplexes Werk erwartet hat, der wird vielleicht
enttäuscht, allerdings gelingt es dem Autor, eine ebenso epische Geschichte zu
präsentieren, wenn diese auch weniger Seiten beansprucht.
Dabei ist es vor allem die
Idee, den Leser und die Hauptfigur bis zum Schluss auf demselben Wissensstand
zu lassen, welche die Spannung ausmacht. Wenn es auch ein paar Längen und ein
paar verwirrende Szenen gibt, so kann das fulminante und überraschende Ende
diese Schwächen mühelos kompensieren.
© by Stefan Robijn
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