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Samstag, 26. Oktober 2024

Haus der langen Schatten

Haus der langen Schatten

von Ambrose Ibsen

Das Haus war wie die gesamte Gegend in Detroit City (US-Bundesstaat Michigan) bereits seit Jahrzehnten verlassen und somit dem langsamen Verfall preisgegeben.

Nur das Haus in der Morgan Road 889 hatte laut Kevin Taylor noch eine sehr passable Bausubstanz vorzuweisen. Und so kaufte der fünfundzwanzigjährige Taylor dieses Haus für einen Spotpreis von der Stadt.

Dabei will der geschickte junge Handwerker hier nicht einmal selbst wohnen. Viel mehr will er dieses Haus in einer 30-Tage-Challence für seinen erfolgreichen Handwerker-Kanal im Internet auf Video Tube vollständig renovieren.

Und am Ende würden hierbei sogar für ihn nicht nur eine Menge Klicks pro Videobeitrag im Internet, sondern auch eine eigene Show für Handwerker bei einem bekannten Fernsehsender herausspringen. Aber wie bereits gesagt, auch dieses Haus ist seit Jahrzehnten verlassen. Und es wäre auch besser wohl so geblieben.

Denn nicht nur dieser asiatische Baum vor dem Haus verströmt einen üblen Geruch. Aber wie so oft fangen Schlimme Dinge meist erst eher etwas harmlos an. Und so fallen Taylor recht bald schon gewisse seltsame Vorkommnisse auf, die sich offenbar nicht an die gängigen Naturgesetze zu halten scheinen.

Da sind in der ersten Nacht bereits Schatten die sich seltsam und übermäßig lang zu ziehen scheinen, obwohl keine Person sich sonst im Haus befindet, welche diese Schatten eigentlich werfen könnte. Oder Taylor vernimmt gleich mehrere seltsame Stimmen, die wie aus einem tiefen Grab klingen.

Doch niemand außer ihm ist in der Morgan Road 889, oder gar in der gesamten, dem Verfall preisgegebenen Straße.  Was diese Stimmen sagen, kann Taylor zuerst nicht verstehen, auch wenn sie sich gefühlt bereits wie eine Drohung anhören.

Die Situation wird zudem durch die grausigen Albträume in der Nacht innerhalb dieses Hauses auch nicht besser. Richtig schlimm wird es allerdings, als Taylor daran geht, eine Trockenwand wegen einem möglichen Wasserschaden abzureißen. Denn hinter dieser Wand befindet sich die Leiche einer Frau, die man hier offenbar vor 30 Jahren auf grausame Art hat verschwinden lassen.

Übernachten mag Taylor hier nun wirklich nicht mehr und fasst hätte er einfach alles hingeschmissen. Doch dann wären die Fans auf seinem Heimwerker-Kanal enttäuscht und die Karriere beim Fernsehsender wäre sicherlich auch dahin.

Doch dann nimmt die eingeschaltete Kamera weitere seltsame Dinge auf und auch die Stimmen und bedrohlichen Hinweise jagen Taylor immer mehr Angst ein. Und warum zieht ihn dieser kleine fasst vergessene Friedhof in der Nähe des Hauses so magisch an?

Als dieses zurückgelassene Böse dieser weiblichen Leiche sich gegenüber Taylor immer offener und bedrohlicher verhält, geht Taylor auf Spurensuche nach möglichen Personen aus der Vergangenheit. Doch Pater Kaspar, den Taylor aus Verzweiflung um geistlichen Beistand bittet, macht nicht einmal die Anstalten, ihm zu Hilfe zu kommen und der frühere Eigentümer Willard Weiss, der seit langem in einer betreuten Wohnanlage für Senioren lebt, ist nicht gerade auskunftswillig.

Doch was steckte wirklich dahinter, als damals in diesem Haus seine Frau Irma Weiss verstarb und offenbar seine Adoptivtochter Fiona eines Tages plötzlich verschwand?

Aber die wichtigste Frage für Taylor dürfte wohl mittlerweile darin bestehen, wie er die Geister wieder los wird, die ihn immer mehr bedrängen und sich längst wie bösartige Parasiten an ihn geheftet haben?  

  • HAUS DER LANGEN SCHATTEN
  • Autor: Ambrose Ibsen
  • ISBN: 978-3-98676-168-4
  • Paperback mit Umschlagklappen
  • Verlag: FESTA
  • Deutsche Veröffentlichung: 14. Oktober 2024

„Die gähnenden Löcher, in denen sich einst Augen befunden hatten, weiteten und verengten sich, runzelten und schürzten sich wie pulsierende Wunden. Und aus den Tiefen des ledrigen Schädels quollen massenweise rote zuckende Würmer - wie Fäden von Rinderhack, das aus einem Fleischwolf gedrückt wird.“ (Haus der Langen Schatten/Seite 270 bis 271)

Der Autor Ambrose Ibsen, den Kenner bereits in einem Atemzug mit so bekannten Autoren wie Dean Koontz oder Stephen King nennen, fällt in seinen Romanen nie gleich mit der Tür ins Haus. Und auch wenn wie hier im Roman „HAUS DER LANGEN SCHATTEN“ der Kreis der Figuren recht überschaubar wirkt, so nimmt Ibsen sich durchaus gerne Zeit, um besonders seine Hauptfigur aufzubauen.

So passiert daher erst einmal auch nicht unbedingt viel in der Morgan Road 889. Trotzdem fliegt man geradezu über jede weitere Seite vor Spannung, weil es Ibsen trotzdem hervorragend gelingt, schleichend eine immer dunkler werdende Atmosphäre aufzubauen, die einem Spukhaus-Roman natürlich alle Ehre macht.

Ein weiterer Pluspunkt sind die recht angenehm kurzen Kapitel und natürlich der stimmungsvolle wie flüssige Schreibstil, welches es den Lesern recht einfach macht, sich umfassend in dieses Buch zu vertiefen ... ja geradezu in die Handlung fallen zu lassen.

Darin liegt aber auch ein kleiner Trick, denn nach jedem Kapitel sagt man sich nämlich, dass man das nächste Kapitel auch noch locker lesen kann. Und ehe man sich versieht, zeigt die eigene Uhr bereits zwei Stunden nach Mitternacht an und immer noch will man eigentlich diesen Roman nicht aus der Hand legen.

Und so ist man am Morgen nicht wirklich ausgeschlafen, wogegen die nur sehr knapp unter 400 Seiten liegenden Romanseiten sich quasi wie im Flug lesen lassen. Ein weiterer Pluspunkt bei Ibsen ist, dass er keine "Helden" kreiert, sondern uns hier mit ganz normalen Menschen wie du und ich konfrontiert. 

Ein Umstand also, der zusätzlich an der Spannungsschraube dreht ohne hierfür auf übermäßig brutale Beschreibungen zurückgreifen zu müssen. Und so liefert uns Ambrose Ibsen hier wirklich einen geradezu klassischen Spukhaus-Roman in einem recht zeitgemäßen Gewand ab, den ich jedem Liebhaber auch der klassischen Meister der Horror-Literatur wirklich nur ans Herz legen kann.

Und was Spukhäuser und dessen übernatürliche Wesenheiten betrifft, da ist Ambrose Ibsen wahrlich wie ich bereits mehrfach lesen konnte, ein Meister seines Fach.

 © by Konrad Wolfram

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