Draculas Gast
von Bram Stoker
Wer das wirklich edel aufgemachte Buch in die Hand nimmt, dem dürfte bald auch der Aufdruck "Ein Schauerroman" auf dem Einband auffallen.
Dies ist allerdings etwas irreführend, handelt es sich hier
doch eher um eine Sammlung schauriger Kurzgeschichten seitens Bram Stoker.
„DRACULAS GAST“ macht hierbei nur den Auftakt, wobei diese Kurzgeschichte wohl eher als Einleitung in Stokers berühmten Roman DRACULA (1897) gedacht gewesen war.
Diese wurde jedoch damals vom Verlag gestrichen und überdauerte dann als Kurzgeschichte die Zeit.
Genau genommen basiert diese deutsche Ausgabe auf dem Band „DRACULAS GUEST AND OTHER WEIRD STORIES“.
Also einer Sammlung von
Schauergeschichten seitens Bram Stoker (1847 bis 1912), welche postum 1914 bei Routledge in London
veröffentlicht wurde und auch ein Vorwort von Stokers Witwe Florence Stoker
(geborene Balcombe) enthielt. Doch kommen wir hier nun zu den einzelnen hier
vorliegenden Erzählungen seitens Bram Stoker.
Draculas Gast (ab Seite 5)
In der Walpurgisnacht befindet sich ein junger
Engländer mit der Kutsche in Richtung München und macht sich über die Angst des
Kutschers lustig. Bald macht er sich dann auch alleine auf den Weg in ein
verlassenes Dorf und damit gleichsam in einem aufkommenden Unwetter in ein
schauriges Erlebnis samt bedrohlicher Gefahr.
Das Haus des Richters (ab Seite 23)
Um für sein Studium ungestört zu lernen, mietet sich ein Student in dem leerstehenden Haus des ehemaligen Richters von Benchurch ein. Doch bald fühlt er sich von dem lauten Treiben der Ratten im Gemäuer gestört.
Die wirkliche Gefahr geht jedoch von einer besonders
großen Ratte mit seltsamen hasserfüllten Augen aus, welche immer wieder über
ein Glockenseil entkommen kann, welches von einem ehemaligen Henker stammt.
Die Squaw (ab Seite 52)
Ein junges Ehepaar bereist auf der Hochzeitreise auch die schöne Stadt Nürnberg. Ihnen schließt sich ein netter US-Amerikaner an, doch dem passiert ein schlimmes Missgeschick was einer kleinen Katze das Leben kostet.
Das aggressive Muttertier vergleicht er dabei mit
einer rachsüchtigen Indianerin aus seiner Heimat. Allerdings kann es trotzdem
ein tödlicher Fehler sein, eine solche Katze auf die leichte Schulter zu
nehmen.
Das Geheimnis des wachsenden Goldes (ab Seite 71)
In den Familien der Delandres und der Brents schwelt
ein Hass, der sicherlich nichts Gutes bringen mag. Als dann auch noch eine
Beziehung einer Delandre und einem Brent erfolgt, hätte es vielleicht eine
Chance gegeben.Doch auch jetzt noch schwehlen finstere
Leidenschaften und hemmungslose Rücksichtslosigkeit und treiben so den Hass auf
eine völlig neue Stufe.
Abel Behennas Rückkehr (ab Seite 91)
Die Liebe zweier vermögender junger Freunde zu einem
hübschen jungen Mädchen an der Küste von Cornwall sorgt bald für Zwietracht.Als dann auch noch eine Wette über die Heirat
bestimmen soll, weil die geldgierige Mutter des Mädchens ihre Finger mit im
Spiel hat, kann dieses seltsame Liebeskarussell nur noch in einer
erschreckenden Katastrophe enden.
Das Rattenbegräbnis (ab Seite 118)
Ein Engländer, der sich ein ganzes Jahr getrennt von
seiner zukünftigen Ehefrau halten soll, macht in Paris den schlimmen Fehler,
sich aus Langeweile in die Gegend der Obdachlosen und Ratten zwischen den
Müllbergen von Paris zu begeben. Und genau hier regiert offenbar nicht nur der
Schmutz, sondern auch der Tod.
Ein Traum von roten Händen (ab Seite 158)
Auch offenbar nette Menschen haben mitunter ein
recht dunkles Geheimnis in ihrer Vergangenheit. Mitunter tauchen diese auch
immer wieder in beängstigenden Albträumen auf. Aber diese Träume können auch
auf eine Form der Vergebung hinweisen, welche sich erst in der Zukunft
offenbaren könnte.
Der Doppelgänger (ab Seite 176)
Der Kampf mit der persönlichen Eitelkeit und der
eigenen Moral kann vielleicht ein schauriges inneres Doppelleben offenbaren,
welches mitunter tödliche Folgen haben könnte. Und manchmal fängt es eben mit
einem typisch schottischen Hochländerkostüm an.
- Draculas Gast
- Autor: Bram Stoker
- Einband in Cabra-Leder mit Silberprägung
- Verlag Anaconda
- Erscheinungsjahr: 06. März 2024
- ISBN: 978-3730613952
-
Übersetzung von Wulf H. Bergner
Der Kurzgeschichte „DRACULAS
GAST“ merkt man durchaus an, dass sie eigentlich eher nur als Auftakt zu etwas
größerem steht, auch wenn sie für sich stehend durchaus eine gewisse düstere
Atmosphäre besitzt. Dieser (quasi) kleinen Vorgeschichte merkt man allerdings
nur zu deutlich an, dass sie nur ein Element eines größeren Ganzen (dem Roman
DRACULA) ist.
Was eine unheilschwangere Atomsphäre betrifft, so kann Stoker hier mit der Geschichte „DAS HAUS DES RICHTERS“ wie auch darauf folgend mit „DIE SQUAW“ am besten punkten. Auch wenn die zuerst genannte Geschichte um die unheilvolle große Ratte im Gemäuer sicherlich an der Spitze stehen dürfte. Bei der Geschichte
„DIE SQUAW“ ist hingegen schon
der Titel eher irreführend, da die gesamte Handlung eben nicht im damals noch
wirklich "Wilden Westen" der Vereinigten Staaten spielt, sondern nur
auf eine kurze Erzählung des Amerikaners hinweist.
Bei „DAS GEHEIMNIS DES WACHSENDEN GOLDES“ hingegen nimmt man als Leser einen tieferen Einblick in zwei Familien, während das Übernatürliche sich fasst bis zum Ende merklich zurückhält. Dabei überlässt Stoker auch den eigentlichen Schrecken eher der Fantasie seiner Leserschaft.
Danach konfrontiert uns Stoker dann in „ABEL
BEHENNAS RÜCKKEHR“ eher mit einer seltsamen Auseinandersetzung zweier Freunde die das gleiche Mädchen lieben
und deren Mutter ihre geldgierigen Finger mit im Spiel hat. Das Ende jedenfalls
war leider schon zu vorhersehbar als das es hier wirklich noch überraschen
könnte.
Leider ist die Geschichte“ DAS
RATTENBEGRÄBNIS“ hier aber auch ein Beispiel, wie man als Autor einfach alles
in den Sand setzen kann. Das Verhalten des "Engländers" in Paris ist
nicht gerade mit Logik zu erklären, es sei denn, die Figur hätte im Vorfeld
bereits einen tiefliegenden Todeswunsch. Aber auch die Handlung selbst zieht
sich bald wie Kaugummi, während sie gleichsam Klimmzüge in Richtung Spannung
vollziehen möchte, was ihr allerdings so nicht mehr wirklich gelingen will.
Und bei der Geschichte „EIN
TRAUM VON ROTEN HÄNDEN“ wird Stoker dann leider auch nicht besser, denn
irgendwie werden hier die Albträume eines Mannes zum Element, um einerseits
seine einstige mörderische Untat einem Freund zu beichten, um dann zum Finale
hin auch noch zu einer Vorahnung und offensichtlicher (christlich
unterfütterter) Vergebung zu mutieren.
Die Spannung bleibt allerdings
auch hier leider weitestgehend auf der Strecke und man läuft eher bald Gefahr,
die Seiten einfach nur noch quer lesen zu wollen um möglichst schnell zu einem
Ende zu gelangen.
Über die letzte Geschichte von
Bram Stoker mit dem Titel „DER DOPPELGÄNGER“, welche im Original auch den Titel
„CROOKEN SANDS“ trägt, hülle ich mich hier aber dann doch lieber gleich in
vornehmes Schweigen. Denn wirklich relevant und mit leichter Spannung versehen
kommt diese Geschichte erst ab der Hälfte etwas auf Touren, konnte mich aber
trotzdem nicht mehr überzeugen.
Genau genommen merkt man bei
dieser Sammlung an Kurzgeschichten von Bram Stoker schon, warum er über sein
Erfolgsbuch „DRACULA“ hinaus kaum als Schriftsteller durchstarten konnte.
Viel zu oft verliert sich
Stoker in völlige Nebensächlichkeiten wie Beschreibungen von Land und Leute und
deren Eigenarten, oder wie in „DER DOPPELGÄNGER“ ausufernd in der
Beschaffenheit schottischer Clan-Kostüme. An anderen Stellen wirkt der
Protagonist eher unlogisch in seinem ganzen Verhalten, wie etwa in der
Kurzgeschichte DAS RATTENBEGRÄBNIS.
Für das hier vorliegende und
sicherlich sehr schön aufgemachte Hardcover mit den insgesamt acht
Kurzgeschichten von Bram Stoker sollte man sich daher vielleicht mehr Zeit
nehmen, denn je weiter man vordringt, umso häufiger legt man leider dieses Buch
auch gerne wieder zur Seite. Aber so manche Geschichte löst auch einfach nur
das Verlangen aus, mit dem Buch überhaupt erst einmal zu pausieren, um etwas Spannenderes
zu lesen.
Leider konnte mich Stoker daher
auch immer weniger überzeugen. Für Sammler klassischer wie ruhiger
Schauergeschichten dürfte dieser Band in Cabra-Leder mit Silberprägung
allerdings eine zumindest optisch auffallende Bereicherung im Buchregal sein.
© by Konrad Wolfram
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen