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Sonntag, 26. Januar 2025

Draculas Gast

Draculas Gast

von Bram Stoker

Wer das wirklich edel aufgemachte Buch in die Hand nimmt, dem dürfte bald auch der Aufdruck "Ein Schauerroman" auf dem Einband auffallen. 

Dies ist allerdings etwas irreführend, handelt es sich hier doch eher um eine Sammlung schauriger Kurzgeschichten seitens Bram Stoker.

„DRACULAS GAST“ macht hierbei nur den Auftakt, wobei diese Kurzgeschichte wohl eher als Einleitung in Stokers berühmten Roman DRACULA (1897) gedacht gewesen war. 

Diese wurde jedoch damals vom Verlag gestrichen und überdauerte dann als Kurzgeschichte die Zeit.

Genau genommen basiert diese deutsche Ausgabe auf dem Band „DRACULAS GUEST AND OTHER WEIRD STORIES“. 

Also einer Sammlung von Schauergeschichten seitens Bram Stoker (1847 bis 1912), welche  postum 1914 bei Routledge in London veröffentlicht wurde und auch ein Vorwort von Stokers Witwe Florence Stoker (geborene Balcombe) enthielt. Doch kommen wir hier nun zu den einzelnen hier vorliegenden Erzählungen seitens Bram Stoker.

Draculas Gast (ab Seite 5)

In der Walpurgisnacht befindet sich ein junger Engländer mit der Kutsche in Richtung München und macht sich über die Angst des Kutschers lustig. Bald macht er sich dann auch alleine auf den Weg in ein verlassenes Dorf und damit gleichsam in einem aufkommenden Unwetter in ein schauriges Erlebnis samt bedrohlicher Gefahr.

Das Haus des Richters (ab Seite 23)

Um für sein Studium ungestört zu lernen, mietet sich ein Student in dem leerstehenden Haus des ehemaligen Richters von Benchurch ein. Doch bald fühlt er sich von dem lauten Treiben der Ratten im Gemäuer gestört.

Die wirkliche Gefahr geht jedoch von einer besonders großen Ratte mit seltsamen hasserfüllten Augen aus, welche immer wieder über ein Glockenseil entkommen kann, welches von einem ehemaligen Henker stammt.

Die Squaw (ab Seite 52)

Ein junges Ehepaar bereist auf der Hochzeitreise auch die schöne Stadt Nürnberg. Ihnen schließt sich ein netter US-Amerikaner an, doch dem passiert ein schlimmes Missgeschick was einer kleinen Katze das Leben kostet.

Das aggressive Muttertier vergleicht er dabei mit einer rachsüchtigen Indianerin aus seiner Heimat. Allerdings kann es trotzdem ein tödlicher Fehler sein, eine solche Katze auf die leichte Schulter zu nehmen.

Das Geheimnis des wachsenden Goldes (ab Seite 71)

In den Familien der Delandres und der Brents schwelt ein Hass, der sicherlich nichts Gutes bringen mag. Als dann auch noch eine Beziehung einer Delandre und einem Brent erfolgt, hätte es vielleicht eine Chance gegeben.Doch auch jetzt noch schwehlen finstere Leidenschaften und hemmungslose Rücksichtslosigkeit und treiben so den Hass auf eine völlig neue Stufe.

Abel Behennas Rückkehr (ab Seite 91)

Die Liebe zweier vermögender junger Freunde zu einem hübschen jungen Mädchen an der Küste von Cornwall sorgt bald für Zwietracht.Als dann auch noch eine Wette über die Heirat bestimmen soll, weil die geldgierige Mutter des Mädchens ihre Finger mit im Spiel hat, kann dieses seltsame Liebeskarussell nur noch in einer erschreckenden Katastrophe enden.

Das Rattenbegräbnis (ab Seite 118)

Ein Engländer, der sich ein ganzes Jahr getrennt von seiner zukünftigen Ehefrau halten soll, macht in Paris den schlimmen Fehler, sich aus Langeweile in die Gegend der Obdachlosen und Ratten zwischen den Müllbergen von Paris zu begeben. Und genau hier regiert offenbar nicht nur der Schmutz, sondern auch der Tod.

Ein Traum von roten Händen (ab Seite 158)

Auch offenbar nette Menschen haben mitunter ein recht dunkles Geheimnis in ihrer Vergangenheit. Mitunter tauchen diese auch immer wieder in beängstigenden Albträumen auf. Aber diese Träume können auch auf eine Form der Vergebung hinweisen, welche sich erst in der Zukunft offenbaren könnte.

Der Doppelgänger (ab Seite 176)

Der Kampf mit der persönlichen Eitelkeit und der eigenen Moral kann vielleicht ein schauriges inneres Doppelleben offenbaren, welches mitunter tödliche Folgen haben könnte. Und manchmal fängt es eben mit einem typisch schottischen Hochländerkostüm an.

  • Draculas Gast
  • Autor: Bram Stoker
  • Einband in Cabra-Leder mit Silberprägung
  • Verlag Anaconda
  • Erscheinungsjahr: 06. März 2024
  • ISBN: 978-3730613952
  • Übersetzung von Wulf H. Bergner

Der Kurzgeschichte „DRACULAS GAST“ merkt man durchaus an, dass sie eigentlich eher nur als Auftakt zu etwas größerem steht, auch wenn sie für sich stehend durchaus eine gewisse düstere Atmosphäre besitzt. Dieser (quasi) kleinen Vorgeschichte merkt man allerdings nur zu deutlich an, dass sie nur ein Element eines größeren Ganzen (dem Roman DRACULA) ist.

Was eine unheilschwangere Atomsphäre betrifft, so kann Stoker hier mit der Geschichte „DAS HAUS DES RICHTERS“ wie auch darauf folgend mit „DIE SQUAW“ am besten punkten. Auch wenn die zuerst genannte Geschichte um die unheilvolle große Ratte im Gemäuer sicherlich an der Spitze stehen dürfte. Bei der Geschichte

„DIE SQUAW“ ist hingegen schon der Titel eher irreführend, da die gesamte Handlung eben nicht im damals noch wirklich "Wilden Westen" der Vereinigten Staaten spielt, sondern nur auf eine kurze Erzählung des Amerikaners hinweist.

Bei „DAS GEHEIMNIS DES WACHSENDEN GOLDES“ hingegen nimmt man als Leser einen tieferen Einblick in zwei Familien, während das Übernatürliche sich fasst bis zum Ende merklich zurückhält. Dabei überlässt Stoker auch den eigentlichen Schrecken eher der Fantasie seiner Leserschaft. 

Danach konfrontiert uns Stoker dann in „ABEL BEHENNAS RÜCKKEHR“ eher mit einer seltsamen Auseinandersetzung  zweier Freunde die das gleiche Mädchen lieben und deren Mutter ihre geldgierigen Finger mit im Spiel hat. Das Ende jedenfalls war leider schon zu vorhersehbar als das es hier wirklich noch überraschen könnte.

Leider ist die Geschichte“ DAS RATTENBEGRÄBNIS“ hier aber auch ein Beispiel, wie man als Autor einfach alles in den Sand setzen kann. Das Verhalten des "Engländers" in Paris ist nicht gerade mit Logik zu erklären, es sei denn, die Figur hätte im Vorfeld bereits einen tiefliegenden Todeswunsch. Aber auch die Handlung selbst zieht sich bald wie Kaugummi, während sie gleichsam Klimmzüge in Richtung Spannung vollziehen möchte, was ihr allerdings so nicht mehr wirklich gelingen will.

Und bei der Geschichte „EIN TRAUM VON ROTEN HÄNDEN“ wird Stoker dann leider auch nicht besser, denn irgendwie werden hier die Albträume eines Mannes zum Element, um einerseits seine einstige mörderische Untat einem Freund zu beichten, um dann zum Finale hin auch noch zu einer Vorahnung und offensichtlicher (christlich unterfütterter) Vergebung zu mutieren.

Die Spannung bleibt allerdings auch hier leider weitestgehend auf der Strecke und man läuft eher bald Gefahr, die Seiten einfach nur noch quer lesen zu wollen um möglichst schnell zu einem Ende zu gelangen.

Über die letzte Geschichte von Bram Stoker mit dem Titel „DER DOPPELGÄNGER“, welche im Original auch den Titel „CROOKEN SANDS“ trägt, hülle ich mich hier aber dann doch lieber gleich in vornehmes Schweigen. Denn wirklich relevant und mit leichter Spannung versehen kommt diese Geschichte erst ab der Hälfte etwas auf Touren, konnte mich aber trotzdem nicht mehr überzeugen.

Genau genommen merkt man bei dieser Sammlung an Kurzgeschichten von Bram Stoker schon, warum er über sein Erfolgsbuch „DRACULA“ hinaus kaum als Schriftsteller durchstarten konnte.

Viel zu oft verliert sich Stoker in völlige Nebensächlichkeiten wie Beschreibungen von Land und Leute und deren Eigenarten, oder wie in „DER DOPPELGÄNGER“ ausufernd in der Beschaffenheit schottischer Clan-Kostüme. An anderen Stellen wirkt der Protagonist eher unlogisch in seinem ganzen Verhalten, wie etwa in der Kurzgeschichte DAS RATTENBEGRÄBNIS.

Für das hier vorliegende und sicherlich sehr schön aufgemachte Hardcover mit den insgesamt acht Kurzgeschichten von Bram Stoker sollte man sich daher vielleicht mehr Zeit nehmen, denn je weiter man vordringt, umso häufiger legt man leider dieses Buch auch gerne wieder zur Seite. Aber so manche Geschichte löst auch einfach nur das Verlangen aus, mit dem Buch überhaupt erst einmal zu pausieren, um etwas Spannenderes zu lesen.

Leider konnte mich Stoker daher auch immer weniger überzeugen. Für Sammler klassischer wie ruhiger Schauergeschichten dürfte dieser Band in Cabra-Leder mit Silberprägung allerdings eine zumindest optisch auffallende Bereicherung im Buchregal sein.

    © by Konrad Wolfram    

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