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Samstag, 18. Februar 2023

Zum 10. Todestag – Autor Ottfried Preußler

Otfried Preußler wurde am 20. Oktober 1923 im böhmischen Reichenberg (Tschechoslowakei) geboren.

Nach dem Abitur wurde er 1942 zur Wehrmacht einberufen und an die Ostfront geschickt. Dort geriet Preußler 1944 in russische Kriegsgefangenschaft und verbrachte fünf Jahre in verschiedenen Lagern.

"Ich war (nach damaligem Recht) noch nicht volljährig, als ich 1944 in Bessarabien für fünf Jahre in russische Gefangenschaft kam. Ich hatte Typhus, Malaria, Fleckfieber. Irgendwann war ich auf 40 Kilo abgemagert, da bin ich in meiner Verzweiflung unter einem Zaun auf das Lazarett zugekrochen, direkt in die Arme einer jüdischen Ärztin.

Und die sagte, Herr Leutnant, wie schaun Sie denn aus? Und hat mich erst mal kahlgeschoren und in die Wanne gesteckt. Sie weinte und erzählte, ihr Sohn – in meinem Alter – sei in meinem Frontabschnitt gefallen!" (1)

Nach seiner Entlassung ging  Otfried Preußler 1949 ins  oberbayerische Rosenheim, wo bereits seine Braut Annelies Kind, ebenfalls eine Heimatvertriebene, auf ihn wartete. Das Paar heiratet 1949 und hatte zusammen drei Kinder. 1951 kam die Tochter Renate, 1953 Tochter Regine und 1958 Tochter Susanne zur Welt.

Um sich eine Existenz aufzubauen, entschied sich Preußler Lehrer zu werden. Noch während seines Lehramtsstudiums in München begann er mit dem Schreiben. Um seine Familie während der pädagogischen Ausbildung ernähren zu können, arbeitet er nebenbei als Lokalreporter und Geschichten für den Kinderfunk zu schreiben. Bis 1970 arbeitete Preußler als Volksschullehrer und Rektor in Rosenheim.

"Ich habe ja, als ich aus der Gefangenschaft kam, schnellstens eine Lehrerausbildung gemacht. Da hatte ich bisweilen 52 Kinder zu beschäftigen. „Wenn die ihnen durchgehen, dann nehmens halt die Geige“, hat mir der Rektor damals geraten. „Aber ich kann doch nicht geigen“, hab ich ihm widersprochen. Na ja – da hab ich eben Geschichten erzählt. Die Schulrätin hat dann in ihrer Beurteilung geschrieben: „Lehrer erzählt zu viel, Klasse zu laut.“ (2)

In den 1950er Jahren entstand sein Erstlingswerk „DER KLEINE WASSERMANN“. Preußler schickte sein Kinderbuch an einen Verlag, der es mit der Bemerkung ablehnte, dass Märchen nicht gefragt seien. Doch Preußler gab nicht auf und bot sein Buch „DER KLEINE WASSERMANN“ dem Thienemann Verlag an, der  sich nach neun Monaten entschied, Preußlers Werk 1956 zu veröffentlichen.  

"Dann habe ich das Skript zu Thienemann geschickt. Da blieb es erst einmal neun Monate liegen, bis man mich endlich wissen ließ, man wolle es versuchen. Na gut, dann hat man es versucht, und dann wäre der kleine Wassermann fast auf die Nase gefallen.

Die Frau Gebhardt-Gayler hat zusammen mit mir debütiert – es war ein Glücksfall – und sie hat konsequenterweise das Titelbild, das den kleinen Wassermann auf dem Karpfen Cyprinus reitend zeigt, mit einem leichten Grünstich versehen, um zu zeigen, dass es sich um eine „Unterwasseraufnahme“ handle. Das ergab eine merkwürdige Hautfarbe für den kleinen Kerl und - Sie wissen, die Branche ist böse - bald erhielt er den Spitznamen „kleine Wasserleiche“.

Nun, dem Glücksfall, dass das Buch einen Sonderpreis beim Deutschen Jugendbuchpreis bekam, habe ich es zu danken, dass man sich beim Verlag in immense Unkosten stürzte und den Grünfilter rausnahm. Seitdem lebt der kleine Wassermann kregel dahin und macht seinen Weg." (3)

„DER KLEINE WASSERMANN“ wurde ein Erfolg und von  den Kindern sehr positiv aufgenommen. Bei der Vergabe des Deutschen Jugendbuchpreises erhielt Otfried Preußler zudem einen Sonderpreis für sein Erstlingswerk.

Um den gelegentlichen Einschlafprobleme seiner Töchter entgegenzuwirken, die unter anderem Angst vor den bösen Hexen hatten, erzählte er ihnen selbst ausgedachte Geschichten. Darunter auch eine Hexengeschichte, aus der sein zweites Kinderbuch „DIE KLEINE HEXE“ entstand, das 1957 ebenfalls im Thienemann veröffentlicht wurde.

Nach „BEI UNS IN SCHILDA“ (1958) sowie „THOMAS VOGELSCHRECK“ (1958) folgte 1962 mit „KATER MIKESCH“ eine Nacherzählung des tschechischen Buches „KOCOUR MIKES“ des Autors Josef Lada.

1962 erschien das Kinderbuch „DER RÄUBER HOTZENPLOTZ“, das 1974 mit dem Schauspieler GERT FRÖBE in der Titelrolle verfilmt wird. 2006 folgte eine weitere Real-Verfilmung mit Armin Rohde als Räuber Hotzenplotz.

"Ich komme vom Kasperltheater. Dort hat der Räuber keinen Namen und braucht auch keinen. Aber um von einem Räuber eine Geschichte zu erzählen, sollte er schon einen Namen haben. Ich habe eine lange Liste gemacht, von Pistolinski und Pistolatzki bis zum Raubmörder Karasek, der in Reichenberg gehängt worden ist. Plötzlich war der Name da. Ich stamme aus Deutsch-Böhmen, und wir haben in der Heimatkunde natürlich auch von dem Flüßchen und dem Städtchen Hotzenplotz im mährischen Schlesien gehört.

Plötzlich waren die elf Buchstaben da, und ich wußte, das ist es. Inzwischen hat er gezeigt, daß er ein recht vitaler Bursche ist. Und weil es schnell passiert, daß sich jemand ärgert, weil man seinen Namen für eine nicht ganz sympathische Figur verwendet hat, habe ich mir lange überlegt, wie dieser Zauberer heißen könnte, und kam dann auf den, wie ich meinte, singulären Namen "Zwackelmann".

Ich habe ihm dann noch den Vornamen "Petrosilius" gegeben und bekam ein paar Wochen später nicht von einem Herrn Zwackelmann, aber von einem Herrn Petrosilius Post. Das sind die Dinge, die einfach Spaß machen. Ich betrachte ja meinen Beruf als Geschichtenerzähler so ernsthaft nicht. Ich betreibe ihn auch als Spiel. Der "Hotzenplotz" ist auch wie ein Spiel gewesen.

Ich hatte damals schon mit dem "Krabat" herumexperimentiert und bin mit dem Burschen eingegangen. Ich habe ihn nicht in den Griff gekriegt. Es ging so weit, daß ich auf dem einen Auge blind wurde. Dann habe ich gedacht, jetzt schreibst du mal was ganz Lustiges. Das war eine Therapie. Den ganzen "Hotzenplotz" habe ich nur aus Spaß geschrieben." (4)

Obwohl Preußler kein Freund von Fortsetzungen war, ließ er sich aufgrund der großen Leserpost dann doch dazu überreden,  1969 mit „NEUES VOM  RÄUBER HOTZENPLOTZ“ eine Fortsetzung zu schreiben. Da er vergaß den Dackel Wasti, der in ein Krokodil verwandelt wurde, zurückzuverwandeln, folgte 1973 „HOTZENPLOTZ 3“.

1966 erschien zudem das Kinderbuch DAS KLEINE GESPENST mit dem sympathischen Geist von Burg Eulenstein..

"Die Mutter meines Vaters, unsere Großmutter Dora, war ein lebendes Geschichtenbuch. Die Märchen und Sagen hatte sie als Kind in der Schmiede und Herberge ihres Vaters von den Fuhrleuten, die zwischen Prag und der Lausitz unterwegs waren, aufgesogen. Und wir Enkelkinder haben ihr oft stundenlang zugehört.

Mein Vater war zudem nicht nur Lehrer, sondern auch ein leidenschaftlicher Volkskundler. Ich habe ihn oft auf seinen Wanderungen begleitet und mit ihm in den Stuben der einfachen Leute gehockt und ihren Erzählungen von Nachtgeistern, Nebelfrauen, Hexen und Wassermännern gelauscht. Aus diesen Wurzeln ist das alles entstanden." (5)

Zehn Jahre lang schrieb Otfried Preußler an seinem Roman „KRABAT“, das 1971 im Thienemann Verlag veröffentlich wurde.

"Mein 'Krabat' ist keine Geschichte, die sich nur an junge Leute wendet, und keine Geschichte für ein ausschließlich erwachsenes Publikum. Es ist die Geschichte eines jungen Menschen, der sich mit finsteren Mächten einlässt, von denen er fasziniert ist, bis er erkennt, worauf er sich da eingelassen hat.

Es ist zugleich meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken." (6)

Das Buch „KARABT“ wurde in 31 Sprachen übersetzt und erhielt diverse nationale und internationale Auszeichnungen. Darunter den Deutschen Jugendbuchpreis (1972),  den Polnischen Jugendbuchpreis (1972), den Europäischen Jugendbuchpreis (1973), den Silbernen Griffel von Rotterdam (1973), den Notable Book of 1973 – American Library Association sowie den Jugendbuchpreis des polnischen Verlegerverbandes (1977).

"Als das Buch 1971 herauskam, fuhr ich zu einer Lesung vor Bibliothekaren in die Schweiz. Dort sagte einer in schönstem Schwyzerdytsch: „Sagen Sie, Herr Preußler, der Meister, das ist doch wohl der Hitler?“ Und da ist mir aufgegangen: Ja, er hat Recht. Der Meister ist zwar nicht Hitler, aber doch eine Inkarnation der bösen Macht." (7)

Nach dem Trickfilm „KRABAT“ folgte 2008 die Realverfilmung des Romans von Otfried Preußler.

In den 1980er Jahren folgten unter anderem  die Hutzelmanngeschichten „HÖRBE MIT DEM GROSSEN HUT“(1981) sowie „HÖRBE UND SEIN FREUND ZWOLLTEL“ (1983). 

Gemeinsam mit seiner Tochter Regine Stigloher brachte er zudem er 1998 „EINS, ZWEI, DREI IM BÄRENSCHRITT“ heraus, eine Sammlung mit  meist mündlich überlieferten Reimen und Versen, die Lustiges, Tröstendes und Heiteres zu jeder Alltagssituation enthalten.

2011 kehrt „DER KLEINE WASSERMANN“ mit der Bilderbuchgeschichte „DER KLEINE WASSERMANN - FRÜHLING IM MÜHLENWEIHER“ zurück. 2013 erschien mit „DER KLEINE WASSERMANN - SOMMERFEST IM MÜHLENWEIHER“ ein weiteres Abenteuer mit der beliebten Kinderbuchfigur..

An der Debatte um die Tilgung und die Austauschung von Begriffen wie "Neger" oder "wichsen", die der Thienemann Verlag in seinem Buch „DIE KLEINE HEXE“ vornehmen wollte, nahm Preußler, der sich seit Jahren am Chiemsee zurückgezogen hat, nicht mehr teil.

Otfried Preußler, der für sein Gesamtwerk mit diversen Auszeichnungen gewürdigt wurde, verstarb am 18. Februar 2013 in Prien am Chiemsee.

© by Ingo Löchel

  • (1)    Otfried Preußler
  • (2)    Otfried Preußler
  • (3)    Otfried Preußler
  • (4)    Otfried Preußler
  • (5)    Otfried Preußler
  • (6)    Otfried Preußler
  • (7)    Otfried Preußler


Bibliographie

  • 1956: Der kleine Wassermann
  • 1957: Die kleine Hexe
  • 1958: Bei uns in Schilda
  • 1958: Thomas Vogelschreck
  • 1962: Kater Mikesch (Nacherzählung)
  • 1962: Der Räuber Hotzenplotz
  • 1966: Das kleine Gespenst
  • 1968: Die Abenteuer des starken Wanja
  • 1968: Das Geheimnis der orangenfarbenen Katze
  • 1969: Neues vom Räuber Hotzenplotz
  • 1969: Kater Schnurr mit den blauen Augen
  • 1971: Krabat
  • 1972: Die dumme Augustine
  • 1973: Hotzenplotz 3
  • 1975: Das Märchen vom Einhorn
  • 1978: Die Flucht nach Ägypten. Königlich böhmischer Teil
  • 1981: Hörbe mit dem großen Hut
  • 1981: Pumphutt und die Bettelkinder
  • 1983: Hörbe und sein Freund Zwottel
  • 1984: Der goldene Brunnen. Ein Märchenspiel
  • 1985: Kindertheaterstücke
  • 1985: Der Engel mit der Pudelmütze. Sechs Weihnachtsgeschichten
  • 1987: Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern
  • 1988: Zwölfe hat’s geschlagen
  • 1989: Dreikönigsgeschichten. Die Krone des Mohrenkönigs / Das Lied der Zikade
  • 1989: Die Glocke von grünem Erz
  • 1990: Jahrmarkt in Rummelsbach
  • 1993: Mein Rübezahlbuch
  • 1993: Das Eselchen und der kleine Engel
  • 1993: Brot für Myra. Eine Geschichte vom heiligen Nikolaus
  • 1995: Die Glocke von Weihenstetten
  • 1995: Die Zenzi mit dem Wackelzahn. Illustriert von Rolf Rettich
  • 1996: Vom Drachen, der zu den Indianern wollte
  • 1997: Der Engel mit der Pudelmütze. Sechs Weihnachtsgeschichten
  • 1998: Eins, zwei, drei im Bärenschritt
  • 2000: Das große Balladenbuch
  • 2001: Dreizehn Geschichten von Hexen und Zaubermeistern
  • 2001: Dreizehn Geschichten von Schätzen und ihren Hütern
  • 2001: Wasserschratz und Tatzenkatze
  • 2001: Wo steckt Tella? Illustriert von Petra Probst
  • 2002: Eins, zwei, drei im Bärenschritt
  • 2002: Dreizehn Geschichten von armen Seelen und mancherlei Geisterspuk
  • 2010: Ich bin ein Geschichtenerzähler
  • 2011: Der kleine Wassermann – Frühling im Mühlenweiher
  • 2013: Der kleine Wassermann – Sommerfest im Mühlenweiher

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