Gustav Meyrink wurde am 19. Januar 1868 als Gustav Meyer in Wien als unehelicher Sohn des württembergischen Staatsministers Baron von Varnbüler und der Hofschauspielerin Maria Meyer (deren Familie ursprünglich Meyrink hieß) geboren.
Offiziell erkannte Varnbüler seinen Sohn zunächst nicht an, aber als vermögender Mann finanzierte er später Gustavs Ausbildung.
Von 1874 bis 1880 besuchte er das „Wilhelmsgymnasium“ in München und danach das „Johanneum“ in Hamburg. Seinen Abschluss am Gymnasium machte er dann in Prag und absolvierte dort die Handelsakademie.
Im Jahre 1888 ließ sich Meyrink in Prag als Bankier nieder und wurde zuerst Mitgesellschafter der Bank „Meyer & Morgenstern“, bevor er sich dann mit "der einzigen Christlichen Bank in Prag" selbständig machte. Bewusst rebellierte er gegen die sogenannten ehrbaren Leute, indem er durch seine snobistische Kleidung, seine überspannten Hobbys, seinen Hang zum Duellieren und sein turbulentes Nachtleben auffiel.
Später spiegeln sich diese Einstellungen gegenüber der damaligen Gesellschaft in seinen Romanen und Erzählungen wieder.
1891 verübte er aus Liebeskummer einen Selbstmordversuch, der aber durch ein spirituelles Erlebnis verhindert wurde, welches Meyrink in "Der Lotse" so beschrieb:
"Morgen jährt sich für mich jener Tag ,Mariä Himmelfahrt zum vierundzwanzigsten Male; ich saß in Prag in meinem Junggesellenzimmer vor meinem Schreibtisch, steckte den Abschiedsbrief, den ich an meine Mutter geschrieben hatte, in das Kuvert und griff nach dem Revolver, der vor mir lag; denn ich wollte die Fahrt über den Styx antreten, wollte ein Leben, das mir schal und wertlos und trostarm für alle Zukunft zu sein schien, von mir werfen.
In diesem Augenblick betrat ,Der Lotse mit der Tarnkappe vor dem Gesicht’, wie ich ihn seither nenne, den Bord meines Lebensschiffes und riss das Steuer herum. Ich hörte ein Rascheln an der Stubentüre, die hinaus auf den Hausflur führte, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass sich etwas Weißes unter den Türrand über die Schwelle ins Zimmer schob. Es war ein gedrucktes Heft.
Dass ich den Revolver weglegte, es aufhob und den Titel las, entsprang weder der Regung einer Neugier, noch auch irgendeinem Wunsch, den Tod hinauszuschieben mein Herz war leer. Ich las: ,Über das Leben nach dem Tode.’ ‚Merkwürdiger Zufall!’ wollte sich ein Gedanke in mir regen aber er brachte kaum das erste Wort über meine Lippen. An Zufall habe ich seither nie mehr geglaubt, wohl aber an den Lotsen." (1)
Bedingt durch dieses Erlebnis entstand Meyrinks Interesse am Okkultismus und er gründete die theosophische Loge "Zum blauen Stern" in Prag, tschechisch Praha (die Schwelle!). Mit dem Spiritismus beschäftigte er sich zwischen 1893 und 1896 und führte einige Experimente mit Drogen durch..
Zu seinen Prager Freunden gehörten unter anderem Max Brod und Alexander Roda Roda. Andere bekannte Zeitgenossen waren Franz Wedekind, Heinrich Mann sowie Hermann Hesse, er sein prominentester Bewunderer werden sollte.
"Ich durfte ihn besuchen, in seiner Bibliothek blättern. Er war der liebenswürdigste Gastgeber, war hilfsbereiter und freundlicher als die anderen Prager Dichter, die soviel von Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit sprachen, ohne sie zu üben. - Sein Gesichtsausdruck war hochmütig, verschlossen.
Die großen blauen Augen leuchteten zuweilen höhnisch auf. Dabei bewegte er sich streng immer auf dem äußersten Steinrand des Trottoirs, als müsse er ständig das ganze Rudel Spaziergänger überblicken, dürfe keinen aus den Augen lassen. Dann aber schien Müdigkeit ihn zu überfallen, er ging nun weiter, ohne auf irgend etwas achtzuhaben; er blickte gar nicht auf. Mit ehrfürchtigem Schauder beobachtete ich ihn aus der Ferne." (2)
Im August 1896 lernte er Philomena (Mena) Bernt, eine Nichte des Dichters Rainer Maria Rilke, kennen und verlobte sich mit ihr im September des gleichen Jahres heimlich. Zur Heirat kam es erst 1905, nachdem die erste Ehe geschieden worden war. Die Trauung fand aber wegen des befürchteten Skandals in Dover statt.
1901 begann Meyrink mit ersten Arbeiten für die satirische Zeitschrift "Simplicissimus", die bis 1909 andaurten. 1904 zog er nach Wien und wird dort Chefredakteur der Zeitschrift "Der liebe Augustin. 1906 und 1907 werden seine beiden Kinder, die Tochter Sibylle Felizitas und der Sohn Harro Fortunat geboren.
Die Familie Meyrink ließ sich zuerst in München, später dann am Starnberger See nieder, das Haus "zur letzten Laterne" wurde ihr neues Zuhause.
Dort begann er auch mit der Arbeit an seinem ersten Roman "DER GOLEM", der aber erst 1915 in Buchform erschien. Mit diesem Werk gelang Meyrink der große Durchbruch.
Aufgrund Meyrinks antimilitaristischen Einstellung, seiner intensiven Beschäftigung mit der esoterischen Thematik und seiner Vorliebe für die jüdische Mystik und Magie, wie im "Golem", der im Prager Ghetto spielt, setzte eine große Hetzkampagne gegen ihn ein, und man warf ihm u.a. eine "brutale Verspottung" der "ehrwürdigen nationalen Werte" vorwarf.
"Die Vorliebe G.M’s für das Judentum war zweifellos vorhanden und es hat wohl kein Zweiter mehr die Höhen und tiefen dieses Volkes wissender geschildert. Auch der geheimnisvolle Eifer und die seltsamen Lehren der Chassidim, sowie auch die Kabbala mussten ihn, der sein ganzes Leben derartigen Dingen nachging, in besonderer Weise anziehen." (3)
Mit dem zweiten Roman "DAS GRÜNE GESICHT", welcher 1916 veröffentlicht wurde, bewegte er sich schon ganz auf esoterischem Terrain.
Im Jahre 1917 bekam er offiziell die Erlaubnis den Namen ‚Meyrink’ zu führen, nachdem es vorher nur ein Pseudonym war. Die Gründe für diese Namensänderung lag vermutlich darin, dass der Name ,Meyer’ viel zu häufig vorkam und es somit an einer gewissen Exklusivität fehlte. Da die Vorfahren seiner Mutter zu einem Adelsgeschlecht derer von Meyrink gehörten, lag es nahe diesen Namen zu wählen.
Nach dem Erzählband "GOLDMACHERGESCHICHTEN" (1925), der sich ausführlich mit der Alchimie befasst, beendete Gustav Meyrink 1927 mit dem Buch "DER ENGEL VOM WESTLICHEN FENSTER“ seine schriftstellerische Karriere.
In den letzten 15 Jahren führte er ein sehr zurückgezogenes Leben. Sein Ruhm als Schriftsteller schwand, so dass er sein Haus am Starnberger See aus Geldnot verkaufen und in ein kleineres Gebäude umziehen musste. D
ie meiste Zeit widmete er jetzt der Meditation, dem Segeln, dem Rudern und seiner Familie.
Ein einschneidender Schicksalsschlag traf ihn durch den Verlust seines Sohnes Harro. Dieser wurde durch einen Skiunfall an der Wirbelsäule sehr schwer verletzt. Nachdem trotz intensiver ärztlicher Behandlung klar war, dass er niemals mehr ganz gesund werden würde, nahm sich Harro 1932 das Leben.
Gustav Meyrink selbst verstarb am 4. Dezember 1932 an den Folgen einer Urämie. Schmerzmittel wurden von ihm abgelehnt, denn er wollte den Tod bewusst wahrnehmen. Am 7. Dezember 1932 wurde er dann in Starnberg beigesetzt.
"Der Tod meines Mannes, ich nenne diese Größe des Sterbens Auferstehung, war für uns ein Hochamt an Religion und Größe. — Seit dem erschütternden Tod unseres geliebten Buben hatte Gustl keinen Lebenswillen mehr, sein Gesicht war schon lange sehend drüben; seine Augen wurden immer strahlender, sein Körper immer weniger.
Er sprach die Zeit überhaupt nicht viel, er saß immer so entrückt und schaute in die Fernen.- Am 02. Dezember um 11 Uhr nachts sagte er mir wörtlich: ich werde jetzt sterben, bitte rede es mir nicht aus, die Ablösung ist viel zu groß und wichtig und bitte gib mir, falls ich noch so viel leiden sollte, keinerlei Betäubungsmittel ich will aufrecht und bewusst hinübergehen. Und so aufrecht, klar, ohne jede Klage, ohne Wimmern erwartete er den Tod. Seine Augen wurden immer strahlender und um halb sieben früh am Sonntag, dem 04. Dezember machte er den letzten Atemzug. In uns war eine erschütternde Freude, dass sich sein großer Geist so harmonisch losgelöst hat.
Sein Körper ist zurückgeblieben, wie eine Larve der Schmetterling ist zur Höhe geflogen. — So aufrecht wie er starb, so aufrecht bin ich geblieben. Sein Tod und auch der Tod meines Buben, er ging, auch so gehoben, fast mit Freude seinen Weg. Sie sind mir ein Beispiel, dass der Tod nichts Schreckhaftes hat. Trotz der großen Erschütterungen bin ich ja so reich!
Den inneren Reichtum, den mir Gustl gegeben hat, kann mir nichts und niemand nehmen. Ich bin so seltsam froh verbunden mit ihnen ,drüben’ und freue mich, weil ich jeden Tag ihnen näher komme. Gustl ist aus Sehnsucht zu seinem Kind den Liebestod gestorben er wäre uns jedem einzelnen nachgestorben — er hat uns zu stark geliebt. Diese seine große Liebe wird Ihnen vielleicht mehr seinen Weg beleuchten, als andere Beispiele."
© by Ingo Löchel
- (1) Gustav Meyrink
- (2) Max Brod
- (3) Sybille Meyrink
- (4) Mena Meyrink
Bibliograhie
- 1903: Erzählungen: Der heiße Soldat und andere Geschichten
- 1907: Das Wachsfigurenkabinett
- 1913: Des deutschen Spießers Wunderhorn, 3 Bände
- 1915: Der Golem (Roman)
- 1916: Fledermäuse (Erzählungen)
- 1916: Das grüne Gesicht (Roman)
- 1917: Walpurgisnacht (Roman)
- 1921: Der weiße Dominikaner (Roman)
- 1925: Goldmachergeschichten (Erzählungen)
- 1926: Der Engel vom westlichen Fenster
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