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Freitag, 15. Dezember 2023

Krimi-Autor Heinz Werner Höber

Heinz Werner Höber wurde am 20. Mai 1931 in Bärenstein/Fichtelgebirge geboren, wuchs aber in Döbeln auf. Mit 12 Jahren schrieb er bereits sein erstes Theaterstück.

"Gebürtig bin ich aus dem Osten, Erzgebirge. 1931 kam ich in Bärenstein zur Welt, als uneheliches Kind armer Leute. Mein Vater hatte kein Geld zum Heiraten." (1)

1945 wurde er mit gerade mal 14 Jahren jüngstes Mitglied der SPD in Sachsen. Die sowjetische Besatzungsmacht sperrte ihn nach Ende des Zweiten Weltkrieges 14 Monate in das Internierungslager Mühlberg ein, bevor ihm die Flucht aus dem Keller des Döbelner Rathauses gelang.

Mit 17 Jahren setzte sich Heinz Werner Höbel (vermutlich mit der Hilfe eines russischen Offiziers mit dem er sich angefreundet hatte) nach Westdeutschland ab.

"1948 bin ich drüben abgehauen, bei Nacht und Nebel. Damals gab es den „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ DDR noch nicht, da hieß das noch „sowjetisch besetzte Zone." (2)

1951 machte Höber in Lemgo sein Abitur. Danach arbeitete er bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und schrieb Theaterstücke und Gedichte, die aber auf keiner Bühne aufgeführt bzw. in keinen Verlag gedruckt wurden.

"Krimis wollte ich eigentlich nie schreiben. Ich hatte Theaterstücke verfaßt, die keine Bühne spielen wollte, und ein paar hundert Gedichte, die kein Verlag drucken wollte. Als ich die Miete nicht mehr zahlen konnte, ging ich zum Kiosk und kaufte 30 Abenteuer- und Westernromane, Schnulzenliteratur und Krimis.

Abenteuerromane konnte ich nicht schreiben. Schließlich hatte ich nur Deutschland gesehen. Schnulzen- und Westernromane lagen mir nicht. So blieben nur die Krimis." (3)

Mitte der 1950er Jahre wechselte Höber dann zum Bastei-Verlag in Bergisch-Gladbach, wo er begann Heftromane für die Krimi-Reihe "BASTEI KRIMINAL-ROMAN" zu schreiben. Für seinen ersten Roman bekam Höber 150 DM.

„Ich bin daraufhin sofort nach Bergisch Gladbach gefahren. Das Bastei-Haus war eine Baracke hinten im Garten einer Stadtrand-Siedlung. Mein Honorar zahlte Verleger Gustav Lübbe aus der Blechkassette.“ (4)

Die ersten dieser Romane waren "DER GALGEN WARTET" (BKR # 110) unter dem Pseudonym JOHN FORSTER und "DER SILBERGRAUE KALENDER" (BKR # 111) unter JAMES FALKER.

Die "MIKE LESTER"-Reihe unter dem Pseudonym JAMES FALKER setzte Höber kontinuierlich (mit einer längeren Pause nach "EIN TRIO SPIELT DEN TOTEN AN - BKR # 604) fort, bis mit "DUELL DER ÖLBANDITEN" (BKR # 852) der letzte „MIKE LESTER“ - Roman erschien.

Ein weiteres Pseudonym Höbers in der Reihe "BASTEI KRIMINAL-ROMAN" war KING GOLD. Hinzu kam das Pseudonym KARIN VAN ZEYCK, worunter der Autor Kriminalromane für die Krimi-Reihe "MOEWIG KRIMINAL-ROMAN" schrieb.

1955 erschien mit dem Bastei Kriminalroman # 133 "ICH - ODER DER SATAN" Höbers erster "JERRY COTTON"-Roman.

"Ich hatte schon einige Krimis für den Verleger Gustav Lübbe geschrieben, da legte der mir eines Tages zehn Hefte mit dem Titel „Jerry Cotton“ auf den Tisch. Geschrieben von einem Persil-Vertreter aus Köln.

Lesen Sie das mal, Höber, sagte Lübbe, Figur und Konzeption sind in Ordnung, aber der Autor weiß nichts über Amerika. Damit hatte Lübbe recht. Cotton war mir als Figur sympathisch. Darüber hinaus stimmte nichts. Der lief als FBI-Agent beispielsweise mit einer deutschen 08-Wehrmachtspistole herum." (5)

Danach schuf Höber erst einmal die grundlegende Struktur für die Heftromanserie "JERRY COTTON", und stattete den FBI-Agenten auch mit der vorgeschriebenen Dienstwaffe aus, einer Smith & Wesson 38 Special.

Besonders seine detailtreue Beschreibung von Örtlichkeiten und der Polizeiarbeit prägten bis in die 1960er Jahre hinein das Bild der „JERRY COTTON“-Romane.

"Es war gar nicht so einfach. Ich kannte die Stadt auch nicht. Dafür begann ich, New York aus der Ferne genau zu studieren. Das FBI schickte mir beispielsweise auf Anfrage Broschüren über seine Arbeit, Informationen zu Kriminallaboren, der Fingerabdruck-Abteilung, der Gerichtsmedizin usw.

Ich besorgte mir Literatur aus Bibliotheken, Stadtpläne und Fotos von Manhattan. Einzelne New Yorker Stadtpläne taugten nicht viel, so ließ ich mir von verschiedenen Institutionen unterschiedliche Pläne kommen, brachte sie auf einen gemeinsamen Maßstab, legte sie übereinander, so daß sie zu einem einzigen mit dreidimensionaler Aussage verschmolzen.

So konnte ich schließlich ziemlich präzise schreiben: „Broadway 23, halbrundes Haus, links im Erdgeschoß – das ist die Filiale der First National Bank.“ Ich studierte Telefon-und Adreßbücher von New York, die Buslinien, Abflugzeiten und Speisekarten. Wenn Jerry Cotton zum Beispiel etwas bezahlte, dann war es immer der aktuelle Preis." (6)

1957 erschien mit "ICH EROBERTE DIE GANGSTERFESTUNG" (JC # 14) Höbers erster Roman in der 1956 gestartete ersten Auflage der Heftromanserie "JERRY COTTON".

Ende der 1950er Jahre zog Heinz Werner Höber nach Großenmarpe. Dort schrieb er in der Wohnung im Obergeschoss der so genannten „Ottomühle“ an der Selbecker Straße seine JERRY COTTON“-Romane. Höber bekam laut eigenen Aussagen 800 DM pro Heftroman.

"Als Jerry-Cotton-Autor bekam ich gerade mal 800 Mark pro Heft. Dafür habe ich vier Wochen gearbeitet." (7)

Zugleich arbeitete Höber aber auch als Deutschlehrer in der alten Grundschule im Ort. Viele Anwohner in Großenmarpe erinnern sich noch heute an die schillernde Persönlichkeit des Autors.

Renate Zwingelberg erinnert sich an eine Begebenheit, die damals erzählt wurde:

"Höber hatte nachts bei Großenmarpe auf der Landstraße einen Mann überrollt. Später stellte sich heraus, dass der zu dem Zeitpunkt schon tot war – jemand anderes musste ihn vorher schon überfahren haben."

So war Heinz-Werner Höber plötzlich in einem echten Kriminalfall verwickelt.

"Wir saßen eines Tages in der Konferenz. Bei Gustav Lübbe ging das Telefon, am anderen Ende war ein Mann von der Polizei. Was wir als erstes mitbekamen, war, dass mit Werner Höber etwas passiert war. Doch was war geschehen?

Werner Höber war mit seinem Auto, das er mittlerweile sein Eigen nannte, irgendwo bei Nacht über Land gefahren, über eine etwas wellige Straße.

In einer Bodenwelle lag ein Mann mitten auf der Straße und Höber hatte den überfahren. Es stellte sich heraus, dass der Mann schon tot war, als Höber ihn überrollt hatte. Werner hatte also einen Toten überfahren!

Dort in der Nähe fand man auch ein Fahrzeug, mit dem der Tote hingekommen war. Der Tote war mit 99,9%iger Sicherheit ein lang gesuchter Straßenräuber, der da schon seit Monaten die Gegend unsicher machte.

 Dieser tauchte nächstens an den Straßen auf und spielte einen behinderten Menschen oder täuschte mit seinem Fahrzeug eine Havarie vor, um dann den vorbeikommenden Autofahrer zum Anhalten zu nötigen.

Und wenn das geschehen war, hat er den überfallen, ausgeraubt und fürchterlich verdroschen oder zu Fuß davongejagt.

Das ließ sich alles nur mühsam rekonstruieren, aber für uns stand fest, dass diese Geschichte nur dem Höber passieren konnte." (8)

Nach einer durchzechten Nacht ließ sich Heinz Werner Höber sogar vom ebenfalls nicht mehr ganz nüchternen Großenmarper Bürgermeister den Namen "Jerry Cotton“ in den Personalausweis schreiben, ganz offiziell in der Amtsstube und mit Stempel.

"Eines Tages war er mit seinem Bürgermeister in Großenmarpe in einen Umtrunk geraten. Irgendwann im Laufe der Nacht ist eine Schnapsidee entstanden: Höber wollte den Namen Jerry Cotton in seinem Personalausweis stehen haben.

Durch den Alkohol war der Bürgermeister willfährig genug, also sind die zwei zur Bürgermeisterei.

Der Bürgermeister hat den Pass in die Maschine gespannt und tippte da ein: Heinz-Werner Höber alias Jerry Cotton und hat auch das Dienstsiegel dahinter geklebt. Jetzt hatte er es schriftlich, er war also Jerry Cotton." (9)

Ende der 1960er-Jahre zog Heinz-Werner Höber nach Berlin. 1970 verklagte der Autor den Bastei Verlag, da er sich nicht mehr mit dem Pauschalhonorar in Höhe von 1400 Mark 'abspeisen' lassen wollte, sondern wie ein Buchautor prozentual am Verkauf beteiligt werden wollte. Aus diesem Grund sollte der Verlag die Jerry-Cotton-Auflage offen legen.

"Sein Rechtsanwalt Rudolf Boden, Dozent für juristische Theaterkunde an der Universität Köln, Experte in Fragen des Urheberrechts, will den Bastei-Verlag mit der Klage zur Offenlegung der Auflagenziffern zwingen.

Chefredakteur Jäkel gibt darüber Auskunft: „Die Cotton-Serien erscheinen wöchentlich mit einer Auflage von rund 250 000 Exemplaren. Darin enthalten sind die Erst- und Nachdrucke der Heft- und Taschenbuchreihe.“

Die Hefte erscheinen wöchentlich, die Taschenbücher einmal im Monat. Nachdrucke kommen etwa drei bis fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung noch einmal auf den Markt. Vom Kiosk-Preis von 90 Pfennigen kassiert der Verlag rund 45 Pfennige.

Über 100 000 Mark pro Heft, gegen die sich das Autorenhonorar bescheiden ausnimmt. Immerhin hat der Verfasser nach Paragraph 36 des Urheber-Gesetzes einen Anspruch auf Heraufsetzung des Entgelts für die Nutzung, wenn das vereinbarte im groben Mißverhältnis zu den Erträgen steht.

Der nächste Termin vor der Fünften Zivilkammer ist auf den 23. März anberaumt worden. Nach der Auflagen-Offenlegung will Höber in die nächste Runde gehen.

Er mag nicht einsehen, daß die Verfasser von Trivial-Literatur mit einem Trinkgeld abgefunden werden dürfen, während ihre Verleger daran reich werden." (10)

Für Anwalts- und Gerichtskosten nahm er einen Kredit von 280.000 Mark auf. Seine Klage wurde aber in beiden Instanzen abgewiesen.

"Der Streitwert wurde erst mal auf 500.000 Mark festgesetzt. Dann hat Höber gegen den Verlag und Lübbe geklagt und ist in erster Instanz abgeschmettert worden. Er hatte rechtsgültige Verträge unterzeichnet, er hatte sein Honorar für die Heftroman- und Taschenbuchmanuskripte bekommen.

Zudem war der Verlag ihm behilflich gewesen, seine Verbindlichkeiten aus dem Ruhrfestspiele-Engagement abzudecken. Das war mittlerweile bezahlt und aus der Welt geschafft. Er ist dann in Revision gegangen, doch in zweiter Instanz ist seine Klage ebenfalls abgeschmettert worden." (11)

1970 erschien mit "DIE SCHWARZEN ADLER VON MANHATTAN" (JC # 689) Höbers letzter Jerry-Cotton-Roman.

Nach seiner Klage gegen den Bastei Verlag, war Höber nicht nur seine weitere „JERRY COTTON“-Aufträge los, sondern war dadurch auch beim Verleger Gustav Lübbe für den Rest seines Lebens in Ungnade gefallen. Danach lebte Heinz Werner Höber von der Sozialhilfe in Berlin, seine Frau ging putzen.

1980 einigte sich Heinz Werner Höber mit dem Lektorat des Bastei Verlages und durfte für 3.000 DM wieder Heftromane für die Serie "Jerry Cotton" schreiben. Da jedoch der Verleger Gustav Lübbe davon nichts wissen durfte, musste er seine Manuskripte anonym über einen Agenten einreichen.

1990 wurde Höbers Roman "NUN KOMM ICH ALS RICHTER" (Rowohlt Thriller 2787, 1989) als bester Krimi des Jahres mit dem GLAUSER des SYNDIKATES ausgezeichnet. Für seine Verdienste um "Jerry Cotton" erhielt er zudem einen "Ehrenglauser".

"Für „Nun komm ich als Richter“ wurde ich als bester Kriminalautor ausgezeichnet. Der Roman erzählt von einem alten Mann, dessen Frau in Auschwitz vergast worden ist, und der nun glaubt, ihren Mörder – den KZ-Arzt Müller – entdeckt zu haben. Für mein Gesamtwerk erhielt ich den „EhrenGlauser“, einen Krimipreis." (12)

Heinz Werner Höber verstarb am 15. Mai 1996 an den Folgen seiner Lungenkrebserkrankung in Berlin.

© by Ingo Löchel

  • (1) Heinz Werner Höber
  • (2) Heinz Werner Höber
  • (3) Heinz Werner Höber
  • (4) Heinz Werner Höber
  • (5) Heinz Werner Höber
  • (6) Heinz Werner Höber
  • (7) Heinz Werner Höber
  • (8) Horst Hübner
  • (9) Horst Hübner
  • (10) Zeit Online: Jerry Cotton vor Gericht (26. Februar 1971)
  • (11) Horst Hübner
  • (12) Heinz Werner Höber

 

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