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Samstag, 24. September 2022

Die Fantasy-Serie "Mythor": Die Leserbriefe und das Problem mit der Schattenzone

Wie in allen Serien, die eine Leserkontaktseite (LKS) besitzen, werden dort natürlich vorwiegend positive Leserbriefe veröffentlicht.

Doch ab und zu kamen  neben den üblichen Ja-Sager-Leserbriefen, die alles nur toll fanden und wirklich überhaupt nichts zu beanstanden hatten, aber auch einige kritische Leserstimmen zu Wort, die vieles, was bei der Fantasy-Serie „MYTHOR“ schief lief und ganz offensichtlich nicht stimmig war, in ihren Leserbriefen auch zum Ausdruck brachten und kritisierten.

Natürlich mit wenig Erfolg. Denn diese wenigen Briefe wurden erst am Ende des „SCHATTENZONE“-Zyklus veröffentlicht, wo alles schon gelaufen war und ALLUMEDDON bereits vor der Tür stand, wie man aus der Einleitung zur LKS von Myhor # 138 von Ernst Vlcek erfährt.

„Liebe Fantasy-Freunde, spätestens mit diesem Band – und der Vorankündigung für den nächsten – wird das geschätzte Publikum merken, daß es mit Riesenschritten auf ALLUMEDDON zugeht, und es darf verraten werden, daß es dabei zu Ereignissen von wahrhaft apokalyptischen Ausmaßen kommt.

Es ist DAS ENDE. Gleichzeitig aber ein NEUER ANFANG. Ein Neubeginn auch für die MYTHOR-Serie mit einem Handlungszyklus, der es auch Neueinsteigern ermöglicht, sich sofort in Mythors Welt zurechtzufinden, auch ohne Kenntnisse über die Geschehnisse im »Alten Zeitalter«. Ein »Neues Zeitalter« beginnt. Ab Band 140.“

Fangen wir aber mal mit dem Leserbrief von T. Partisch aus Mythor # 139 an, der die Schwächen des SCHATTENZONENZYKLUS, insbesondere das Problem mit der Schattenzone an sich, beleuchtet und auf den Punkt brachte:

„Ich hatte vor diesem Zyklus immer gedacht, die Schattenzone und die dort innewohnenden Dämonen wären etwas Unnahbares. Ich sah mich allerdings getäuscht. Es gibt sogar ein Volk, die Pfader, welches regelrechte Besichtigungsfahrten für Abenteuerlustige und Wegbereitung für Kaufleute quer durch die Schattenzone inszeniert.

Und nun kommt Mythor, spaziert einfach in ihr herum, übersteht ein paar Raufereien und stiehlt dann mir nichts dir nichts dem Oberdämon Darkon Caerylls fliegende Stadt und ein paar Dragomae-Bausteine. Zusätzlich bannt er Yhr und vernichtet auch noch einige Mummen Darkons.

Ich finde, hierbei wird Darkon als derart schwach dargestellt, daß Mythor ihn mit einem etwas größerem Anteil seiner Ausrüstung ohne Anstrengung schlagen könnte. Diese Verniedlichung des Bösen, dem man kaum noch Macht zubilligt, obwohl gerade jetzt sein Einfluß immer größer wird, sollte alsbald Abhilfe geschaffen werden, wenn diese Romanserie nicht unglaubwürdig und unseriös werden soll.“

Wenn man bedenkt, dass die Dämonen mit Hilfe der Caer-Priester und dem Volk der Caer fast ganz Gorgan erobert und den Widerstand der Kämpfer des Lichtes nur so hinweggefegt haben, ist es schon seltsam, dass die Dämonen in ihrer Heimstatt, der Schattenzone, insbesondere Darkon, nicht in der Lage sind, den Sohn des Kometen zu vernichten oder gefangen zu nehmen oder wenigstens zu verhindern, dass er Carlumen findet bzw. erreicht.

Auch sonst macht Darkon eher eine schwache und sehr lächerliche Figur. Was mehr als unglaubwürdig wirkt, da Darkon doch der Herr der Finsternis, und somit der oberste der vielen Dämonen ist, die irgendwo in der Schattenzone hausen.

Doch wo hausen sie in der Schattenzone? Wo ist ihre Wohnstätte. ‚Wohnen‘ sie in irgendeiner, imaginären und höheren Sphäre der Schattenzone, die nur von ihnen erreicht werden kann?

Schweben sie als geistlose Wesenheiten durch die Gebiete der Schattenzone? Oder hausen sie fast alle in den Körpern diverser Caer-Priester in Gorgan?

Fragen, die in der Fantasy-Serie nie beantwortet wurden. Ganz im Gegenteil. Das seltsame Verhalten der Dämonen, insbesondere Darkon, und das Aussehen der Schattenzone, in dem auch Wesen lebten bzw. zu Hause waren, die gegen die Dämonen und ihre Helfershelfer kämpften, warf eher immer neue Fragen auf, die ebenfalls nie beantwortet wurden.

Und da war natürlich ALLUMEDDON um dieses Problem vom Tisch zu bekommen  und die vielen Fragen aufgeworfenen Fragen erst gar nicht zu beantworten. Denn nach ALLUMEDDON war die Schattenzone verschwunden, Gorgan und Vanga zu VANGOR vereint und die Dämonen auf verschiedene Stellen und Gebiete in der  ‚neuen‘ Welt verteilt.

Doch die Frage sei gestattet, in wieweit sich Gorgan und Vanga nach ALLUMEDDON verändert haben. Woher kommen so unbekannte Gebiete wie der SCHATTENWALD oder die DRACHENLAND-INSEL? Waren sie schon vorher da oder wurden sie erst nach ALLUMEDDON geformt? Und wie viel Zeit ist seit ALLUMEDDON vergangen?

Fragen, die sich Neueinsteiger natürlich nicht gestellt haben, denn das Ende der alten Welt durch ALLUMEDDON zielte ja darauf hin, einen Neuanfang für die Serie zu schaffen und damit nicht nur Neulesern einen problemlosen Einstieg in die Fantasy-Serie zu bieten, sondern MYTHOR u. a. auch von den vielen Charakteren und Protagonisten zu befreien, die die Romane ‚bewohnten‘.

Nur die Alt-Leser müssen doch etwas verblüfft gewesen sein, so erging es mir damals jedenfalls, mit dieser ‚neuen‘ Welt konfrontiert zu werden.

Doch zurück zum SCHATTENZONE-Zyklus.

Jeder der vielen Mythor-Leser hatte vermutlich eine andere Vorstellung vom Aussehen der Schattenzone und ihrer Bewohner. Was die Autoren den Lesern aber mit der Schattenzone  boten, war ehrlich gesagt nicht nur eine Ansammlung von unglaubwürdigen Phantastereien, sondern auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.

Angefangen mit der Dämonenleiter bis hin zu Yhr, deren Leib sich durch die Schattenzone und verschiedene andere Dimensionen windet, um nur zwei Punkte zu nennen. Oder wie können überhaupt Lebewesen in dieser feindlichen Umgebung und Atmosphäre Leben und existieren?

Diese fragwürdigen Phantastereien der Mythor-Autoren und Expose-Autoren bringt F. Müller in seinem Brief (erschienen in Mythor # 136) sehr deutlich auf den Punkt.

„Mit Band 100 wurde dann der Zyklus »Schattenwelt« gestartet, der gegenüber den vorangegangenen Zyklen bei mir nicht ganz so gut abschneidet. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der erste ist der, daß die Handlung nicht mehr so straff auf einen geographisch festlegbaren Punkt zusteuert wie bisher. Die Lichtwelt ist meiner Meinung nach eine Kugel, die durch die Schattenzone in eine Nord- (Gorgan) und eine Südhälfte (Vanga) unterteilt wird. Die Schattenzone verläuft entlang dem Äquator; über ihre Ausdehnung ist nichts bekannt, ebenso wie über die Ausdehnung der Kontinente und Inseln in Vanga und Gorgan.

Auf beiden Hälften des Planeten gibt es noch Gebiete, die im bisherigen Handlungsverlauf noch keine Rolle spielten. So lautet in etwa die These, die ich mir zur Geographie der Lichtwelt anhand von 100 gelesenen Romanen gebildet hatte. Daraus folgerte für mich, daß die Schattenzone ein von Dämonen, Ungeheuern u. ä. bevölkerter Teil der Lichtwelt war, in dem es Landmassen und Ozeane gab.

Dies hat sich ja als Irrtum erwiesen, denn die Schattenzone entpuppte sich als Bereich mit eigenen physikalischen Gesetzmäßigkeiten, den man kaum als Bestandteil der Lichtwelt (eines Planeten) bezeichnen und nur schwer geographisch erfassen kann. Wo gelangt man denn hin, wenn man die Dämonenleiter hinuntersteigt?

Laut den Autoren nach Yhr, das ist aber kein Kontinent, sondern der Leib einer Schlange, in dessen Innerem Carlumen festsaß und der sich durch viele Bereiche der Schattenzone sowie durch andere Dimensionen zog.

Ich muß schon sagen, die Autoren muten einem ziemlich viel Phantastisches zu. Besonders schlimm war die »Karte« von Yhr, die zwar sicherlich nur symbolisch gemeint war. Auf mich wirkte sie wie die Illustration zu einem Kinderbuch.

Um den Leser endgültig zu verwirren, gibt es dann immer noch die Handlungseinschübe, in denen Darkon auf dem Dach der Schattenzone steht und lacht. Was soll man sich darunter denn vorstellen"

Zum Schluss ist es noch  eine kleine Überlegung wert, was sich die Autoren bei ihren Treffen bei der Gestaltung der weiteren Handlung gedacht haben bzw. inwieweit sie überhaupt Einfluss auf die Handlung und den weiteren Verlauf der Serie hatten.

Nach Hubert Haensel und Horst Hoffmann konnten Ideen eingebracht werden und sie wurden, wenn sie ‚gut‘ waren auch in die Serie eingebaut. Wie zum Beispiel die Figur des Gerrek durch W. K. Giesa.

Doch wenn man sich Hugh Walkers Aussage dazu anschaut, dass die Autoren in Bezug auf die Exposes „mehr Fakten und weniger Freiraum“ haben wollten, sieht die ganze Sache doch etwas anders aus. Daraus kann man eher entnehmen, dass die Autoren weniger Interesse daran hatten, die Handlung der Fantasy-Serie und die Serie an sich mit zu gestalten, was man vielen eher lustlos geschriebenen Romanen der Mythor-Serie durchaus ansieht.

Hinzu kommt, dass man bisweilen den Eindruck gewann, dass ERNST VLCEK mit dem Schreiben der „MYTHOR“-Exposes etwas überfordert gewesen war. Vielleicht weil er gerade durch „PERRY RHODAN“ doch auch eher im SF-Bereich angesiedelt war. Was vermutlich ein Nachteil  für „MYTHOR“ gewesen ist.  Hier könnte man unter anderem auch die Zyklen-Bildung der Fantasy-Serie auflisten, die ebenfalls nicht von Vorteil, sondern eher schädlich für den Aufbau der Handlung der Serie war.

Jedenfalls übernahm Ernst Vlcek ab Mythor # 21 das Schreiben der MYTHOR-Exposes. Als Draht- bzw. Strippenzieher agierte laut den Mythor-Autoren G. M. Schelwokat im Hintergrund.

So muss man leider als Fazit ziehen, dass weder Ernst Vlcek und G. M. Schelwokat  noch W. K. Giesa ein glückliches Händchen besessen haben, die Fantasy-Serie „MYTHOR“ in die richtige Richtung zu ‚delegieren‘ bzw. zu stupsen.

© by Ingo Löchel

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