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Samstag, 1. Mai 2021

Robert Kraft

Heute vor 105 Jahren verstarb der Schriftsteller Robert Kraft. Ein guter Grund an dieser Stelle an den deutschen Abenteuer-, Krimi- und SF-Autor zu erinnern...

Emil Robert Kraft wurde am 3. Oktober 1869 in Leipzig geboren, wo sein Vater eine äußerst gutgehende Weinhandlung mit angeschlossenem Restaurant  betrieb. Sehr friedlich ging es im Haus der Familie Kraft allerdings nicht zu. Der Vater kümmerte sich fast nur ums Geschäft und die Mutter überließ die Erziehung ihrer Kinder einer Kinderfrau. 1873 trennten sich das Ehepaar Kraft aufgrund permanenter Ehestreitigkeiten.

Auch an seiner Schulzeit in der Leipziger Thomasschule hatte Robert Kraft wenig Freude. Die Mitschüler hänselten ihn, weil er nervös war und stotterte. Schon bald kam es zur Katastrophe. Der zehnjährige Robert versuchte sich mit Arsenik das Leben zu nehmen, wurde aber gerettet.

1881 wurden die Eltern geschieden unddie Mutter verließ nach der Scheidung für immer das elterliche Haus. Zum Vater hatte Kraft keinen besonders guten Draht, denn dieser konnte sich weder mit den Sonderlichkeiten noch mit dem Freiheitsdrang seines Sohnes umgehen und abfinden. Verschiedentlich unternahm Robert Kraft, der vom Meer fasziniert war, der Seeman werden wollte, kleinere Ausreißversuche.

Doch der Vater hatte andere Pläne für seinen Sohn. So machte der junge Kraft zwischen 1885 und 1887 eine Lehre in der Leipziger Maschinenfabrik von Scheele und Mark. 

Aufgrund dieser Berufsausbildung hatte der die Möglichkeit zu Ostern 1887 einen Studienplatz an den Technischen Staatslehranstalten zu Chemnitz zu erhalten, obwohl ihm die Zulassung zum Studium aufgrund zu kurzen Schulbesuch verwehrt gewesen wäre.

Ende August 1889 versuchte Kraft bei einem Besuch zu Hause erneut auszureißen, stahl dem Vater Geld, wurde aber wieder eingefangen. Damit war für ihn eine Fortsetzung seiner Studien in Chemnitz verwehrt, denn sein Name wurde in die Strafregister der Polizei aufgenommen.

Vorübergehend wohnte er beim Vater in Leipzig, reiste dann aber am 20. Oktober 1889 nach Hamburg, wo er auf dem Schiff "Shakespeare"als Schiffsjunge für die Reise von Hamburg nach USA und zurück anheuerte.

Doch der Kapitän des Schiffes, auf dem Kraft diente, war ein haltloser Trinker. Am Abend des 17. Dezember 1889 ereilte ihn ein Schlaganfall, an dem er starb. Der erste Steuermann übernahm die Führung des Schiffes, konnte aber nicht verhindern, dass es am nächsten Tag in einem schweren Sturm beschädigt wurde.

Das Wrack trieb zwischen Island und Grönland steuerlos auf den Wellen. Erst am 21.Dezember kam Hilfe. Ein englischer Schraubendampfer barg alle 18 Mann der Shakespeare. Am 10. Januar 1890 erreichte der Dampfer mit den Schiffbrüchigen an Bord New York.

Die geretteten deutschen Seeleute reisten mit dem Dampfer "Eider" nach Bremen zurück. So endete Krafts erstes maritimes Abenteuer mit einer Havarie und einer Seegerichtsverhandlung in Bremerhaven im Januar 1890, bei der die völlige Unschuld der Besatzung des Schiffes an dem Unglück festgestellt wurde.

Nach diesem Erlebnis heuerte Kraft auf dem Dampfer ‚"Europa"‘ mit Fahrtziel Singapur als Kochsmaat an. Nach der Einfahrt in den Suezkanal im April 1890 verließ er in der Nähe von Port Said das Schiff, um sich das Land der Pharaonen etwas genauer anzusehen.

Nach einem Fieberanfall mit Schwindelgefühlen verbrachte er mehrere Wochen im arabischen Hospital in Kairo. Aus dem Krankenhaus entlassen, ließ er sich seinen Lohn auszahlen und fuhr im Juli 1890 nach Suez.

Nach längerem Herumlungern schlich er sich an Bord eines Pilgerschiffes, das nach Dschidda fuhr. Kurz nach der Abfahrt entdeckte man den blinden Passagier, doch der Kapitän zeigte sich nachsichtig, und heuerte Kraft an Stelle eines desertierten Leichtmatrosen an.

Im Hafen von Dschidda brach jedoch eine Choleraepidemie an Bord aus, der viele Menschen zum Opfer fielen, so dass das Pilgerschiff eine Woche lang ziellos übers Rote Meer fuhr, da die Behörden dem Schiff die Einfahrt in den Suezkanal verweigerten.

Endlich wurde er zur Desinfizierung in eine Zeltstadt unterhalb von El Dschar gebracht, wo es sechs Wochen vor Anker lag. Dann wurde das Schiff zur Weiterfahrt freigegeben. Doch wiederum brach die Cholera aus, und der Dampfer "Malacca"‘ kreuzte erneut planlos hin und her.

Erst nach langwierigen Verhandlungen durfte er doch durch den Suezkanal fahren, worauf er schließlich in Konstantinopel anlangte. Unter den Überlebenden an Bord befand sich auch Robert Kraft, der ins deutsche Hospital der osmanischen Hauptstadt eingeliefert wurde.

Das bedeutete das vorläufige Ende von Krafts unstetem Vagabundenlebens. Mit dem Krankenhausaufenthalt in Konstantinopel war Krafts Sturm- und Drangzeit erst einmal beendet.

Zudem erinnerten sich die deutschen Behörden daran, dass die Wehrpflicht auf den damals 21jährigen Kraft wartete. Kraft erhielt einen Pass und war am 30. Dezember 1890 wieder in Leipzig.

Von dort begab er sich unverzüglich nach Wilhelmshaven, um seinen Militärdienst anzutreten, zunächst auf einem Kanonenboot in der Deutschen Bucht. Wie so oft überkam den Matrosen Kraft aber schnell die Langeweile. Der Zufall wollte es, dass Kraft im Zahlmeisteramt aushelfen durfte und einen Rechenfehler entdeckte.

Zur Belohnung wurde er als eine Art bessere Putzhilfe in die Marinebibliothek abgestellt, wo ihn sein Schicksal gänzlich ereilte. Zur seiner eigenen Phantasie kam nun die die klassische, philosophische Literatur und die Belletristik hinzu.

Im Sommer 1891 erhielt er eine neue Aufgabe als Schwimmlehrer; offenbar wegen seines Sprachfehlers immer noch dem Spott der Kameraden ausgeliefert, beschloss er, durch eine Mutprobe, die Spötter zum Schweigen zu bringen.

Am 22. August 1893 durchschwamm Kraft in etwa vier Stunden den Jadebusen, die ihm drei Tage Arrest einbrachte. Krafts Militärdienstzeit endete am 18. Dezember 1893, und er meldete sich nach Hause ab.

Mit dem Vater versöhnte er sich nicht, obwohl er bei ihm wohnte. Seine Tätigkeit als Schwimmlehrer im Leipziger Karola-Bad gab er Ende März 1894 wieder auf und ging erneut auf Wanderschaft.

Anschließend verschlug es ihn nach London. Es war für einen Matrosen jedoch schwer, eine Heuer zu finden. Auch die Unterstützung durch die örtliche Heilsarmee dauerte nicht ewig. 

Jedenfalls verließ Kraft England Mitte Juli 1894 und gelangte als Matrose nach Port Said, von dort nach Kairo, wo er eine Jagdausrüstung kaufte. Damit begann die letzte Phase seines Abenteuerlebens. Er wurde Jäger in der Oase Fayum, wo er ein halbes Jahr in nahezu völliger Abgeschiedenheit lebte.

Die Oase Fayum markierte Krafts endgültigen Abschied vom Wanderleben und den Beginn seiner Schriftstellertätigkeit. 

Nach einem halben Jahr in der Wüste kehrte Kraft über Alexandria nach London zurück. Bei einem kurzen Aufenthalt in Leipzig überwarf er sich erneut mit seinem Vater, für den die Schriftsteller Hungerleider waren, und Kraft ging zurück nach London, wo er in der Dachkammer einer Wohnung Quartier fand, die einer deutschen Familie gehörte.

Bei ihr wohnte auch der ehemalige deutsche Oberlehrer Anton Klemens. Er hatte Beziehungen zum deutschen Kolportagebuchhandel und regte Kraft möglicherweise zu eigenen Texten an.

1895 erschien "FÜNF WOCHEN IN DER HEILSARMEE" im Union-Verlag in Stuttgart, eine humoristisch übertriebene Schilderung einiger Erlebnisse Krafts während seines Aufenthalts bei der Londoner Heilsarmee im Sommer 1894.

Danach begann er unter dem Titel "DIE VESTALINNEN" einen großen Roman über die phantastische Weltreise einiger leicht überspannter, aber tatkräftiger und mutiger Damen. Dieses Werk wurde von dem Dresdener Kolportageverlag H. G. Münchmeyer in 103 Lieferungsheften herausgebracht.

Der Münchmeyer-Verlag machte aus Kraft einen wahren Weltreisenden, der ungezählte Seeabenteuer erlebt hatte. Die Hälfte davon war nicht wahr, aber die Leser hatten so etwas gerne, und Kraft war mit einem Schlag ein berühmter und gefeierter Kolportageautor. 

Es folgten die Romane, „"DAS MÄDCHEN AUS DER FREMDE" (1895/1896) und "VIER FRAUEN UND NUR EIN MANN" (1896/1897).

Am 27. Juni 1895 heiratete Robert Kraft in London-Whitechapel die Deutsch-Engländerin Johanna Rehbein, Tochter eines in England ansässigen Weinhändlers

Im Mai 1896 wurde dem Ehepaar eine erste Tochter geboren, 1899 folgte die zweite. In der Zwischenzeit waren die Krafts nach Deutschland umgezogen, zunächst in den Leipziger Stadtteil Gohlis, später nach Markkleeberg bei Leipzig.

Doch Kraft blieb ein unzufriedener Mensch, dem die Arbeitsweise als Kolportage-Autor nicht im geringsten behagte. Auch der ständige Zeitdruck, unter dem er Dinge produzieren musste, die dann im Verlag oft unter kommerziellen Gesichtspunkten verändert oder entstellt wurden, war ihm verhasst.

Äußerlich zeigte sich Krafts Unzufriedenheit mit seiner Arbeit und seinem Leben in einem recht planlosen Wohnungswechsel: 1899 kehrte er nach Leipzig zurück, 1900 zog er nach London, um dann im Jahr 1901 mit seiner Familie an die Riviera zu wohnen.

Doch nach wenigen Wochen kehrte Kraft mit seiner Familie zurück. Als am 9. Februar 1902 sein Vater starb und ihm ein beträchtliches Vermögen hinterließ, fasste Kraft einen neuen, verwegenen Plan. 

Er ging nach Monte Carlo, wo er sich mit seiner Familie fast ein Jahr lang aufhielt. Doch schon Ende 1903 stand er wieder ohne ausreichende Geldmittel da und kehrte nach London zurück.

1904 erschienen seine realistischen Bordnovellen mit dem bezeichnenden Obertitel "SCHNELLDAMPFER MIKROKOSMOS" im Münchmeyer-Verlag. 

Aber Krafts Absicht, in den Schiffsnovellen tatsächlich ein Abbild der Welt im Kleinen, so wie er sie sah, zu schaffen, fand bei Adalbert Fischer keinen Anklang. Die Reihe wurde eingestellt, einige schon geschriebene Hefte blieben ungedruckt.

Nicht viel besser erging es der Serie "DETEKTIV NOBODY"S ERLEBNISSE UN SEEABENTEUER".

Kraft wurde aber daran gehindert ein bisschen mehr Anspruch in seine Serie zu bringen und daher verlor der Autor schon im zweiten Band die Inspiration und die Lust an seiner Serie und schob den gar nicht zum Stoff gehörigen "PRINZ VON MONTE CARLO"-Text ein.

1905 zog Kraft in eine Villenkolonie in Berlin-Friedrichshagen, um sich ganz dem ernsthaften Schreiben zu widmen, entschloss sich dann aber doch, zur Kolportage zurückzukehren.

Mit der Erzählung "DAS HAUS MIT DEN ZWEI FICHTEN"meldete sich der Autor im Sommer 1905  mit der NOBODY-Serie zurück, die während seiner von Harry Scheff und Johannes Jühling fortgeführt worden war. Gleichzeitig bemühte sich Kraft um andere Verleger. 

Nach 1909 kam es zum endgültigen Bruch mit dem Münchmeyer-Verlag, zumal sich Kraft mit Fischers Schwiegersohn und Nachfolger Arthur Schubert nicht verstand.

Eine großangelegte Reihe mit einigen seiner besten Kurzromane erschien 1908/1909 noch bei Münchmeyer. 

In der Reihe "DIE AUGEN DER SPHINX" erschienen seine Werke "DIE NIHILIT-EXPEDITION" und "DIE WILDSCHÜTZEN VOM KILIMANDSCHARO".

Nach einem Intermezzo in Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz, wo Kraft 1907 hingezogen war, lebte er von 1908-1912 in Dresden und knüpfte dort Beziehungen zu mehreren Verlegern an.

Mit "DIE NEUE ERDE"“ begann Kraft 1910 einen Romanzyklus, der seine ganz eigenartige und eigenwillige Variante des utopisch-phantastischen Romangenres darstellt. Aber mehr als die ersten beiden Teile dieses Zyklus erschienen nicht. 

Krafts letzte große Romanprojekte, "ATALANTA", "DAS GAUKLERSCHIFF" und "DAS ZWEITE GESICHT" sowie der unvollendete "LOKE KLINGSOR"-Zyklus“, den Johannes Jühling später zum Abschluss brachte, folgten in den nächsten Jahren, in dem er auf dem Gebiet  der technischen Utopie, des Okkultismus und der Gesellschaftssatire, experimentierte.

Auch die vielen Gespräche mit Dr. E. A. Schmid, der seit Juli 1913 den neugegründeten Karl-May-Verlag in Radebeul bei Dresden leitete, führten vorerst zu keinem Erfolg. Denn Klara May, die Witwe von Karl May, war strikt gegen die Veröffentlichung von Krafts Werken 

Erst 1916 gelang es Dr. Schmid, in dem eigens für diese Zwecke gekauften Haupt & Mammon-Verlag in Radebeul Krafts Werke herauszugeben.

Für Robert Kraft, seit dem 1. Oktober 1915 in Hamburg wohnhaft, kamen diese Veröffentlichungen zu spät. Seine Gesundheit war durch jahrelangen Alkohol- und Tabakmissbrauch und durch das jahrzehntelange Schreiben im Akkord, stark angegriffen.

Während seines Sanatoriumsaufenthalts in Haffkrug starb Robert Kraft am 1. Mai 1916 in Anwesenheit seiner jüngsten Tochter.. 

Die Familie von Kraft war zu diesem Zeitpunkt völlig mittellos und musste sich eine Zeit lang durch Unterstützung des Karl-May-Verlegers Dr. Schmid und seines jüngeren Freundes Dr. Rudolf Beissel über Wasser halten.

© by Ingo Löchel




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